Bis zum Jahr 1980 wurde Asbest aufgrund seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten in mehr als 3.000 verschiedenen Produkten eingesetzt. Von Mitte der 1960er- bis Ende der 1970er-Jahre erreichten die Asbestimporte der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich rund 170 000 Tonnen pro Jahr (in der DDR bis zu 70 000 Tonnen pro Jahr). Durch immer weiter reichende Herstellungs- und Verwendungsverbote seit Ende der 1970er-Jahre und dadurch zunehmenden Ersatz von Asbest ist dessen Verbrauch in der Bundesrepublik Deutschland bis Anfang der 1990er-Jahre auf null abgefallen.
Die Exposition gegenüber Asbest an Arbeitsplätzen in vielen Branchen in Deutschland konnte durch Arbeitsschutzmaßnahmen bereits vor dem Expositionsverbot deutlich reduziert werden. Dennoch bleibt Asbest ein viel diskutiertes Thema, da durch Asbest verursachte schwere Berufskrankheiten oft erst nach sehr langer Zeit in Erscheinung treten. Heute besteht im Wesentlichen bei Abbruch- und Sanierungsarbeiten noch die Gefahr einer Belastung durch Asbeststäube.
In Deutschland besteht seit 1993 gemäß Gefahrstoffverordnung ein Verbot des Inverkehrbringens von Asbest und asbesthaltigen Materialien. Dieses Verbot gilt seit 2005 auch auf europäischer Ebene. Bei Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte Asbestexpositionen ausgesetzt sein können (Abbruch- und Sanierungsarbeiten, Umgang mit mineralischen Rohstoffen) sind nach Gefahrstoffverordnung Maßnahmen mit dem höchsten Schutzniveau durchzuführen.
In Deutschland werden in der Anlage 1 zur Berufskrankheitenliste derzeit vier Asbest-bedingte Krankheitsbilder geführt:
BK 4103 - Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura
BK 4104 - Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
BK 4114 - Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent nach der Anlage 2 der BKV entspricht.
Ein zentrales Präventionsziel der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Verhütung von Berufskrankheiten. Primäre Schutzmaßnahmen wurden schon vor langer Zeit eingeführt und Asbest schließlich verboten. Die Asbest-bedingten Erkrankungen heute sind Folge lange zurückliegender Expositionen in Zeiten, in denen das Wissen um die Gefährlichkeit noch zu gering war und Ersatzstoffe für Asbest noch nicht zur Verfügung standen. Daher kommt heute gerade der Früherkennung (Sekundärprävention) beruflicher verursachter Asbest-bedingter Erkrankungen Bedeutung zu. Auch wenn Asbest-bedingte Erkrankungen heute noch nicht oder nur sehr bedingt heilbar sind, so kann eine frühzeitige Diagnose die Chancen einer Therapie oder eines günstigeren Krankheitsverlaufs verbessern.
Da Asbest-bedingte Erkrankungen in den meisten Fällen erst Jahre oder Jahrzehnte nach der asbeststaubgefährdenden Tätigkeit auftreten, haben die Versicherten einen gesetzlichen Anspruch darauf, auch über das Berufsleben hinaus arbeitsmedizinisch betreut zu werden. Diese so genannte nachgehenden arbeitsmedizinische Vorsorge dient dem frühzeitigen Erkennen derartiger Erkrankungen. Eine entsprechende Betreuung liegt damit im Interesse der betroffenen Versicherten. Die nachgehende Vorsorge wird in regelmäßigen Zeitabständen vom Bereich Gesundheitsvorsorge (GVS), einer Gemeinschaftseinrichtung aller gesetzlichen Unfallversicherungsträger, angeboten und von beauftragten Arztinnen und Ärzten wohnortnah durchgeführt. Die Teilnahme an dieser Vorsorge und den angebotenen Untersuchungen ist freiwillig und für die Versicherten kostenlos. GVS registriert die Daten der Beschäftigten, die gegenüber Asbeststaub exponiert waren. Damit lassen sich Untersuchungen zielgenauer planen und organisieren. Im Falle des BK-Verdachts sind die Daten von großem Wert bei der Durchführung des Feststellungsverfahrens.
Für Versicherte mit einem besonders hohen Risiko für die Entwicklung einer Asbest-bedingten Lungenkrebserkrankung wurde Ende 2014 damit begonnen, die nachgehende Vorsorge um das Angebot einer Niedrig-Dosis-Computertomografie-Untersuchung (LD-HRCT Untersuchung) zu erweitern. Auch dieses Angebot wird durch die GVS organisiert und ist für die Versicherten kostenlos. Seit 2016 soll das Angebot der erweiterten Vorsorge mit einer LD-HRCT-Untersuchung auch auf Versicherte mit einem besonders erhöhten Lungenkrebsrisiko ausgeweitet werden, bei denen bereits eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura als Berufskrankheit anerkannt ist.
National wie international haben die Einrichtung GVS (vormals: ZAs) und das Verfahren der nachgehenden Vorsorge schon früh große Anerkennung erfahren.
Eine optimale Sekundärprävention bei ehemals exponierten Beschäftigten erfordert aber auch die ständige Weiterentwicklung geeigneter und möglichst nicht-invasiver diagnostische Verfahren. Die DGUV unterstützt in diesem Zusammenhang verschiedene Projekte externer Einrichtungen, führt in ihren eigenen Instituten aber auch selber entsprechende Forschungsprojekte durch.
Ziel der am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) in Bochum in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unfallversicherungsträgern durchgeführten Präventionsstudie MoMar ist zum Beispiel die Validierung von neuen molekularen Markern zur Früherkennung von Mesotheliomen und Asbest-bedingten Lungentumoren. Im Gegensatz zu den bisherigen Ansätzen der Biomarkerentwicklung erlaubt diese Verlaufsuntersuchung entsprechende Marker gezielter zu entwickeln und auch unter praxisnahen Bedingungen zu validieren. Die Teilnehmer an der Studie sind Versicherte, bei denen eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura als Berufskrankheit anerkannt ist und die somit bereits an regelmäßigen Nachuntersuchungen teilnehmen. In dem Projekt arbeiten derzeit bereits fünf Berufsgenossenschaften (BG BAU, BG RCI, BGHM, BG ETEM, BG Verkehr) aktiv mit.
O. Hagemeyer H. Otten, T. Kraus
Asbestos consumption, asbestos exposure and asbestos-related occupational diseases in Germany. Int Arch Occup Environ Health (2006), 79: 613-620
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
Nationales Asbest-Profil Deutschland
Dortmund (2015)
T. Wiethege, V. Harth, M. Duell, A. Centmayer, O. Hagemeyer, D. Taeger, G. Johnen, C. Wolff, T. Brüning, Umsetzungsgruppe "Früherkennung asbestverursachte Erkrankungen"
Erweitertes Vorsorgeangebot für asbestverursachte Erkrankungen – Sachstand und aktuelle Entwicklungen. Low-Dose HRCT-Untersuchung zur Früherkennung von Lungentumoren
IPA-Journal 3/2016: 6-11
Dr. Markus Mattenklott
Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)
Stäube - Fasern
Tel.: +49 30 13001-3230
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Dr. Jenny Teitzel
Hauptabteilung Prävention
Referat Vorschriften und Regeln
Telefon: +49 30 13001-4252
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Dr. Thorsten Wiethege
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)
Zentralbereich und fachübergreifende Aufgaben
Tel.: +49 30 13001-4030
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