In Deutschland arbeiten etwa 80 % der abhängig Beschäftigten üblicherweise tagsüber zwischen 7 und 19 Uhr. 39% der Beschäftigten in Deutschland arbeiten regelmäßig am Wochenende, Samstag oder Sonntag oder beides. 18% der Beschäftigten arbeiten in Schichtarbeit: 8% in Wechselschicht ohne Nachtanteile, 7% in Wechselschicht mit Nachtanteilen und jeweils 1% ausschließlich in Früh-, Spät- oder Dauernachtschicht.
Arbeitszeit ist somit charakterisiert durch
• die Dauer (z.B. täglich und wöchentlich),
• die zeitliche Lage (z. B. Schicht- oder Wochenendarbeit, geteilte Dienste)
• die Vorhersehbarkeit bzw. Flexibilität - regelmäßig oder mit kurzfristigen Änderungen
Ausprägungen jedes dieser Merkmale können zu Beanspruchungen der Beschäftigten führen, wenn Arbeitszeiten überlang werden, Pausen ausfallen oder Arbeiten zu sozial wertvoller Zeit anfällt. Zusätzlich bewirkt der digitale Wandel, dass die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit immer mehr verschwimmt, weil Arbeit zunehmend orts- und zeitunabhängig erledigt werden kann.
Ziel der Arbeitszeitgestaltung muss sein, die Arbeitsfähigkeit sowie Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten oder sogar zu fördern. Deshalb führen die Institute der DGUV zu diesen Merkmalen Forschungsprojekte durch und bringen deren Ergebnisse in praxisnahe Empfehlungen oder Leitlinien ein. Dabei arbeiten sie eng mit den Unfallversicherungsträgern sowie Experten aus Epidemiologie, Arbeits- und Schlafmedizin, Chronobiologie, Immunologie, Toxikologie und weiteren Fachgebieten zusammen.
Seit langem weiß man, dass überlange tägliche Arbeitszeiten das Risiko für Unfälle erhöhen. Durchschnittlich tritt diese Erhöhung ab der 9. Stunde nach Arbeitsbeginn auf; nach 12 Stunden weisen Studienergebnisse sogar auf eine Risikoverdopplung hin. Ebenso birgt das regelmäßige Überschreiten einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden das Risiko von Stress, Herz-Kreislaufproblemen, allgemeiner Erschöpfung oder psycho-vegetativen Beschwerden.
Eine Arbeitszeitverkürzung wiederum kann eine erhöhte Arbeitsverdichtung nach sich ziehen. Neue Formen der Arbeitsverdichtung erfordern geeignete Verfahren und Maßnahmen, um Gesundheitsgefahren durch die veränderten Arbeitsbedingungen zu erkennen und abzuwenden. In einem durch die DGUV geförderten Projekt werden Instrumente zur Diagnose und Maßnahmen zum Umgang mit Arbeitsverdichtung zusammengestellt und systematisiert.
Im Allgemeinen wird eine regelmäßige Tätigkeit, die vor 7 Uhr morgens oder nach 19 Uhr ausgeübt wird, als Schichtarbeit bezeichnet. Dabei definiert das Arbeitszeitgesetz Nachtarbeit als eine mindestens zweistündige Beschäftigung zwischen 23 und 6 Uhr, bei Bäckern zwischen 22 und 5 Uhr. Schichtsysteme in Betrieben sind vielfältig. Es wird geschätzt, dass allein in Deutschland über tausend unterschiedliche Schichtsysteme vorkommen.
Arbeit in Wechselschichten, insbesondere Nachtarbeit, kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Zu den kurzfristigen Auswirkungen zählen verminderte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, Schläfrigkeit und Müdigkeit, die wiederum das Risiko für Fehler und Unfälle erhöhen. Eine starke Beanspruchung durch Schichtarbeit kann sich mittelfristig in Stoffwechselstörungen, Störungen im Menstruationszyklus oder einer Gewichtszunahme äußern. Auch chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Krebserkrankungen können die Folge sein.
Unter anderem spielt die Beleuchtung am Arbeitsplatz bei Schichtarbeit eine wesentliche Rolle. Der Einfluss von neuen, dynamischen Beleuchtungssystemen bei Schichtarbeit ist Gegenstand der Interventionsstudie "Licht und Schichtarbeit", die das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) in einem Kooperationsprojekt durchführt.
Ein Projekt am Institut für Arbeitsschutz (IFA) beschäftigte sich mit der Veränderung von Schlafzeiten und Tagesmüdigkeit bei Büroangestellten, die coronabedingt ins Homeoffice gewechselt hatten. Der Anteil an Personen, die sich bei der Arbeit häufig müde fühlten, verringerte sich beim Arbeiten im Homeoffice und der Chronotyp hatte hierauf einen signifikanten Einfluss.
Bei der Betrachtung flexibler Arbeitszeiten sind zwei Varianten zu unterscheiden: 1. Beschäftigte können ihre Arbeitszeit – im Rahmen betrieblicher Erfordernisse - flexibel an eigene Bedürfnisse anpassen. 2. Beschäftigte müssen ihre Arbeitszeit variabel - d. h. kurzfristig und häufig unvorhergesehen - an betriebliche Erfordernisse anpassen, beispielsweise in der Gastronomie oder im Transportgewerbe. Während sich die selbstbestimmte Flexibilität bei den Arbeitszeiten positiv auf die Gesundheit auswirken kann, zeigen Beschäftigte mit betriebsseitig variablen und unvorhersehbaren Arbeitszeiten häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Rückenschmerzen, Schlafstörungen und allgemeine Erschöpfung. Das Gefühl von "Arbeit auf Abruf" kann den Erholungswert von grundsätzlich freien Tagen beeinträchtigen. Da sich kurzfristige Arbeitseinsätze in manchen Branchen nicht vermeiden lassen, sollte mit den Beschäftigten vereinbart werden, in welchen Zeiten oder an welchen Tagen kurzfristige Arbeitseinsätze erfolgen können und welche Tage uneingeschränkt der Erholung dienen.
Beschäftigte mit flexibler Arbeitszeit arbeiten oft länger als vereinbart. Dabei führen insbesondere hohe Arbeitsanforderungen und mangelndes Zeitmanagement leicht zu einer Entgrenzung von Beruf und Privatleben, zu längeren Arbeitszeiten am Abend und am Wochenende oder zu erweiterter Erreichbarkeit. Während beispielsweise Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft vom Arbeitgeber klar geregelt sind, sind bei einer arbeitsbedingten erweiterten Erreichbarkeit oft die Erwartungen seitens der Vorgesetzen oder der Mitarbeitenden an die jeweils andere Seite unklar. Dies kann zu erhöhter Belastung und damit zu Fehlbeanspruchungen wie verminderter Erholungsfähigkeit oder schlechterem Schlaf führen (iga.Report 23 Teil 2: Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten). Insbesondere bei flexiblen Arbeitszeitsystemen sind deshalb klare Vereinbarungen zur Erreichbarkeit wichtig.
Die Arbeitszeiten von Soloselbständigen (Freiberufler ohne eigene Angestellte) zeichnen sich besonders häufig durch hohe Flexibilität und Unregelmäßigkeit aus. Oft sind ihre Geschäftspartner rund um den Globus verteilt und zu ganz unterschiedlichen Zeiten erreichbar. Gleichzeitig sind Soloselbstständige nicht verpflichtend unfallversichert. In einem Projekt, das das Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) für die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) durchgeführt hat, wurde untersucht, wie diese Zielgruppe dennoch mit Präventionsangeboten der Unfallversicherung erreicht werden kann. (iga.Report 46: Arbeitszeitgestaltung und Gesundheitsverhalten von Soloselbstständigen).
Barbara Hirschwald
Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)
Angewandte Epidemiologie
Telefon: +49 30 13001-3121
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Dr. med. Dirk Pallapies
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)
Stabsstelle Regulation
Telefon: +49 30 13001-4040
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Dr. Sylvia Rabstein
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)
Kompetenz-Zentrum Epidemiologie
Telefon: +49 30 13001-4213
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Dr. Hanna Zieschang
Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG)
Arbeitsgestaltung - Demografie
Telefon: +49 30 13001-2240
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