Die Erforschung von Berufskrankheiten ist als Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) verankert. Die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) sind verpflichtet, durch eigene Forschungen oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dabei mitzuwirken, neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen – insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts (§ 9 Abs. 8 SGB VII).
Die Forschungsaktivitäten der gesetzlichen Unfallversicherung verteilen sich auf vier Säulen:
Forschung zu bestimmten Branchen oder Gefährdungen wird häufig von den Unfallversicherungsträgern selbst durchgeführt oder von diesen (mit-)finanziert.
Die Unfallversicherungsträger haben drei Institute eingerichtet, die sich der Forschung in den Bereichen Prävention und Berufskrankheiten widmen:
Im gesamten Bundesgebiet gibt es neun berufsgenossenschaftliche Akutkliniken und zwei Kliniken für Berufskrankheiten, die vor allem in den Bereichen Heilverfahren und Rehabilitation Forschungsprojekte durchführen.
Die DGUV verwaltet im Auftrag ihrer Mitglieder einen Forschungsfonds. Universitäten, Fachhochschulen, Klinken und andere Einrichtungen können aus diesem Fonds Gelder für Forschungsprojekte aus den Bereichen Prävention, Rehabilitation und Berufskrankheiten beantragen.
Grundsätzlich fördert die DGUV Forschungsvorhaben, die für mehrere Unfallversicherungsträger von Nutzen sind. Die praktische Relevanz der Projekte für die Unfallversicherungsträger steht dabei im Vordergrund.
Über die Förderung von Forschungsprojekten und die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel entscheiden die Sozialpartner in den Gremien der Selbstverwaltung der Unfallversicherung.
Die DGUV-Forschungsförderung hat 2022 Fördermittel in Höhe von 5,24 Millionen Euro ausgezahlt. Gefördert wurden damit insgesamt 53 Projekte.
Die Berufskrankheiten-Forschung nimmt aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen auf. Sie hat Themenfelder bekannt gemacht, in denen besonderer Forschungsbedarf gesehen wird. Ein Beispiel hierfür ist die Frage, ob und inwieweit künstliche UV-Strahlung am Arbeitsplatz Hautkrebs (mit-)verursacht. Die Forschungsschwerpunkte wurden in einem mehrstufigen Prozess mit Fachleuten und den Sozialpartnern erarbeitet.
Mit Bekanntmachungen zu den Förderschwerpunkten will die DGUV potenzielle Forschungsnehmer anregen, Förderanträge zu diesen Forschungsfeldern zu stellen. Gleichzeitig soll mit dieser Maßnahme die Transparenz der Forschung und der Forschungsförderung der gesetzlichen Unfallversicherung verbessert und die öffentliche Wahrnehmung der Berufskrankheiten-Forschung erhöht werden.
Forschungsprojekte aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werden an die öffentlich zugängliche "Forschungsdatenbank Arbeitsschutz" gemeldet. Sie enthält Informationen über laufende und abgeschlossene Forschungsprojekte, die von den Unfallversicherungsträgern in eigenen Instituten bearbeitet wurden (Eigenforschung) oder von ihnen gefördert und von Dritten durchgeführt wurden (Fremdforschung). Auch Projekte der DGUV-Forschungsinstitute sind in der Datenbank zu finden. Daraus ergibt sich ein vollständiges Bild der Forschungsaktivitäten unter Beteiligung der gesetzlichen Unfallversicherung. Darüber hinaus werden die Forschungsergebnisse in nationalen und internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.
Die Forschungsergebnisse können beispielsweise genutzt werden, um
Neue Forschungserkenntnisse fließen zum Beispiel auch in die Beratungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" (ÄSVB) ein.
Dies war zum Beispiel bei der Berufskrankheit "Fokale Dystonie" der Fall, einer neurologisch (nervlich) bedingten Bewegungsstörung der Handmuskulatur, die beispielsweise bei Berufsmusikerinnen und Berufsmusikern auftritt: Um zu klären, ob Berufsmusikerinnen und Berufsmusiker aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an fokaler Dystonie leiden, förderte die DGUV 2012/13 ein systematisches Literaturreview. Es zeigte, dass langjähriges, wiederholtes Musizieren generell geeignet ist, fokale Dystonien bei Berufsmusikern und Berufsmusikerinnen zu verursachen.
Im Jahr 2015 kam der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" zu dem Ergebnis, dass ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse für die Aufnahme der fokalen Dystonie bei Instrumentalmusikern und Instrumentalmusikerinnen als Berufskrankheit vorliegen. Eine wesentliche Grundlage dieser Bewertung waren die Ergebnisse des Literaturreviews. Im August 2017 wurde die "Fokale Dystonie" in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen ("Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität").
Um die Transparenz der Forschung und Forschungsförderung der gesetzlichen Unfallversicherung und den Stellenwert von Forschung mit Berufskrankheiten-Relevanz in der öffentlichen Wahrnehmung weiter zu erhöhen, wurde Anfang 2021 eine Berichtspflicht eingeführt (§ 9 Abs. 8 SGB VII). Die Verbände der Unfallversicherungsträger sind somit verpflichtet, jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu veröffentlichen.
Inzwischen sind bereits folgende Berichte entstanden: