"Stehen kann bewegen nicht ersetzen"

Höhenverstellbare Tische sind seit einigen Jahren in immer mehr Büros zu finden. Eine australische Studie stellt ihren gesundheitlichen Nutzen nun in Frage. Präventionsexpertin Dr. Vera Stich-Kreitner vom Sachgebiet Büro der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung/ der VBG ordnet die Ergebnisse ein.

Frau Dr. Stich-Kreitner, derzeit erwecken eine Reihe von Medienberichten den Eindruck, an einem höhenverstellbaren Schreibtisch zu arbeiten schade der Gesundheit. Die Berichte verweisen dazu auf eine australische Studie. Bedeutet das, Unternehmen sollten in Zukunft lieber darauf verzichten, ihren Beschäftigten höhenverstellbare Schreibtisch anzubieten?

Nein. Viele Medien haben die Ergebnisse der Studie aus meiner Sicht etwas verkürzt dargestellt. Dass Unternehmen keine höhenverstellbaren Schreibtische mehr zur Verfügung stellen sollten, gibt die Arbeit der Universität Sydney nicht her.

Die australischen Forscherinnen und Forscher kamen aber zu dem Schluss, dass Stehen das Risiko für orthostatische Erkrankungen wie Krampfadern steigen lässt, ohne dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt.

Das stimmt - ist aber nichts Neues. Langes Stehen - insbesondere langes erzwungenes Stehen - kann die Venengesundheit beeinträchtigen. Das wissen wir von Berufsgruppen, die schon immer lange im Stehen gearbeitet haben - am Fließband oder im Verkauf zum Beispiel. Stehen ist auch kein Ausgleich für bestimmte negative Folgen des zu langen Sitzens, das können zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen sein. Und das hat allerdings auch nie jemand behauptet. Was die Studie der Universität Sydney nicht betrachtet hat, sind die Auswirkungen auf das Muskel-Skelett-System. Hier gehen wir nach wie vor davon aus, dass der Wechsel zwischen Sitzen und Stehen förderlich für die Gesundheit des Bewegungsapparats ist. Das entscheidende Wort ist hier “Wechsel” - also weder dauerhaft im Sitzen noch im Stehen zu arbeiten. Experten raten zu einem Wechsel alle 20 Minuten.

Sie raten also nicht von höhenverstellbaren Schreibtischen ab?

Nein. Ich muss aber hinzufügen, dass ich ein Fazit der australischen Forscherinnen und Forscher ausdrücklich teile: Stehen kann Bewegen nicht ersetzen.

Was empfehlen Sie?

Wir empfehlen Arbeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Bewegen. Das bedeutet: Arbeitgebende sollten Gelegenheiten für Bewegung schaffen, idealerweise eine sogenannte Bewegungskultur im Unternehmen schaffen. Bewegte Pausen zum Beispiel, den Drucker so aufstellen, dass man ein Stück laufen muss, um ihn zu erreichen, beim Telefonieren aufstehen und durchs Zimmer gehen, wenn man ein Headset hat, Besprechungen im Stehen oder Gehen. Und Beschäftigte sollten aktiv werden, wann immer sich eine Gelegenheit dafür bietet, kleine Gänge zwischendurch einbauen, Treppensteigen und die Mittagspause für einen kleinen Spaziergang nutzen. Diese Empfehlung gilt übrigens nicht nur für die Arbeitszeit, sondern auch für die Freizeit.

Gibt es ein Mindestmaß an Bewegung, das jeder Mensch erreichen sollte?

Experten empfehlen mindestens 150 Minuten moderate Aktivität beziehungsweise 75 Minuten intensive Aktivität pro Woche. Bei der moderaten Aktivität kann man sich in der Regel locker unterhalten, wie beim Spazierengehen. Ein Beispiel für intensive Aktivität wäre Joggen. Dabei zählt jede Bewegung, auch kleine Bewegungseinheiten können addiert werden, dadurch wird das Ziel leichter erreichbar. Wichtig ist aber zusätzlich, lange Sitzzeiten durch Bewegungseinheiten zu unterbrechen, denn Sitzen über mehrere Stunden erhöht das Risiko für viele Erkrankungen.

Hinweis: Unter dem Motto „Level Up @ Work – Bring Bewegung ins Büro“ stellt die VBG kurze Motivationsvideos zur Verfügung, die das Unterbrechen von langen Sitzzeiten unter verschiedenen Aspekten thematisieren

Ansprechperson

Elke Biesel
Stv. Pressesprecherin
Tel.: +49 30 13001-1411