Kurzfassung: Dieser Report enthält die wesentlichen Ergebnisse aus dem Projekt "ErgoKiTa – Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen (KiTas)", das im Zeitraum von Juni 2011 bis Dezember 2013 von den Projektpartnern Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt (IAD), Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main (ASU), und Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin, bearbeitet wurde. Initiiert haben die Studie die Unfallkassen Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). In der Studie wurden physische und psychische Belastungen im Kita-Alltag erfasst und Lösungsansätze zur Verbesserung der beruflichen und gesundheitlichen Situation des pädagogischen Personals in Kitas entwickelt. Die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen, vor allem zur Reduzierung der körperlichen Belastungen, wurde in einem weiteren Schritt evaluiert.
Zu Beginn der Untersuchung wurden die Leitungen von 265 Kitas in Nordrhein-Westfalen (NRW), Rheinland-Pfalz (RP) und Hessen zu aktuellen Rahmenbedingungen, Fort- und Weiterbildung und Ausstattung befragt. 24 repräsentative Kitas (je sieben in NRW und Hessen sowie zehn in RP) wurden bei intensiven Vor-Ort-Begehungen sowie durch Befragungen hinsichtlich der physischen und psychischen Belastungen und Beanspruchungen genauer betrachtet. Weiter vertieft wurde die Ist-Zustands-Analyse durch Workshops sowie CUELA1)-Messungen der Muskel-Skelett-Belastungen und computergestützte Tätigkeitsanalysen bei jeweils zwei Erzieherinnen in neun dieser Kitas – davon jeweils drei Kitas mit eher geringem, mittlerem und eher hohem Interventionsbedarf – an jeweils zwei Arbeitsschichten.
Insgesamt wurden in der Ist-Zustands-Analyse 36 Schichtaufnahmen durchgeführt und die zugehörigen Muskel-Skelett-Belastungen detailliert quantifiziert. Belastungsschwerpunkte ergaben sich beim Arbeiten mit gebeugtem Oberkörper in niedrigen Arbeitshöhen (mittlere Zeitanteile mit gebeugtem Oberkörper zwischen 16 und 35 % der Arbeitsschicht). Der Anteil der Betreuung von unter Dreijährigen und die Nutzung ungeeigneter Transportmittel hatte einen Einfluss auf die Lastenhandhabung (bis zu 4 % der Arbeitsschicht Handhabung von Gewichten > 10 kg). Auffällig war weiterhin der relativ hohe Anteil kniender Haltungen (im Mittel bis zu 16 % der Arbeitsschicht).
Aus den Ergebnissen der Ist-Zustands-Analyse wurden tätigkeitsspezifische Präventionsmaßnahmen, wie ergonomische Möbel/Ausstattungen, arbeitsorganisatorische Maßnahmen und Hinweise zum individuellen Verhalten, abgeleitet. Daraus entstand ein Basiskatalog von Präventionsmaßnahmen für die Tätigkeitsbereiche Spielen, Essen, Pflege und Schlafen. Darin enthalten waren unterschiedliche Lösungsansätze zur Belastungsreduktion, wie ergonomisch gestaltete Wickeltische, ergonomisches gewichtsoptimiertes Mobiliar zur Vermeidung von Zwangshaltungen, organisatorische Maßnahmen zur Förderung des Belastungswechsels und individualpräventive Maßnahmen. In sechs der neun Interventions-Kitas wurden gemeinsam mit den Beschäftigten unter Berücksichtigung des jeweiligen pädagogischen Konzepts der Einrichtung geeignete Lösungen für die Umsetzung ausgewählt und begleitet von Verhaltens- und Ergonomie-Schulungen implementiert.
Nach einer Eingewöhnungszeit folgten erneute Befragungen und Workshops, CUELA-Messungen und Tätigkeitsanalysen, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen. Hierdurch ließen sich die Wirksamkeit der Lösungsansätze und deren Akzeptanz belegen. Statistisch signifikante Reduktionen wurden insbesondere beim Anteil der starken Rumpfbeugehaltungen und der knienden Haltungen durch Nutzung ergonomischer Möbel und Optimierung des individuellen Verhaltens erreicht. Diese Lösungsansätze können zur präventiven Arbeitsgestaltung in Kitas genutzt werden.
Die Ergebnisse des Projektes fließen in den Bau einer ergonomischen Muster-Kita, den die Unfallkasse Rheinland-Pfalz und das IFA begleiten, ein. In dieser Muster-Kita sollen Verantwortliche und Beschäftigte anderer Kitas Ideen für ergonomische Lösungen sammeln, die sie dann in ihren Einrichtungen umsetzen können. Ferner können die Erkenntnisse für Lehrmodule im Rahmen der Ausbildung von Kita-Personal und auch für Schulungsmaterial zur Verhaltensergonomie aufbereitet werden. Eine Handlungshilfe zur gesundheitsgerechten Kita-Gestaltung sowie die Entwicklung von Checklisten zur Gefährdungsbeurteilung sind weitere Anwendungsfelder zur Umsetzung der Forschungsergebnisse in die betriebliche Praxis.
1)CUELA = computerunterstützte Erfassung und Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelett-Systems
Sinn-Behrendt, A.; Sica, L.; Bopp, V.; Bruder, R.; Brehmen, M.; Groneberg, D.; Burford, E.-M.; Schreiber, P.; Weber, B.; Ellegast R.: Projekt ErgoKiTa – Prävention von Muskel-Skelett-Belastungen bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen (IFA Report 2/2015). Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV), Berlin 2015
ISBN: 978-3-86423-148-3
ISSN: 2190-7994