Exoskelette sind am Körper getragene Assistenzsysteme, die mechanisch auf den Körper einwirken. Mit Exoskeletten werden folgende Wirkungen angestrebt:
Der Einsatz von Exoskeletten kann (in Abhängigkeit der bestimmungsgemäßen Verwendung) geeignet sein für:
Hinsichtlich ihrer Bauart kann in passive und aktive Exoskelette unterschieden werden. Beide Varianten sind auch als Hybrid umsetzbar. Bei Hybrid-Systemen werden die Steuerimpulse mittels Elektromyographie (EMG) oder Gehirnströmen an das Exoskelett weitergeben.
Während der medizinischen Rehabilitation unterstützen Exoskelette bewegungseingeschränkte Menschen. Auch in militärischen Bereichen werden solche Systeme intensiv erprobt, um die Wirkung körpereigener Kräfte zu erhöhen.
Der Einsatz von Exoskeletten an Arbeitsplätzen ist noch nicht sehr verbreitet. Tests von Prototypen im industriellen Kontext werden bereits immer mehr durchgeführt.
Nach dem aktuellen Kenntnisstand können Exoskelette aus Sicht des Arbeitsschutzes wie folgt eingeteilt werden:
Passive Exoskelette
Aktive Exoskelette mit (Teil-) Unterstützung
Aktive Exoskelette mit (Voll-) Unterstützung
Die arbeitsbedingte Nutzung von Exoskeletten, ihre Wirksamkeit, ihre Präventionspotentiale sowie die Vermeidung von Risiken beim Einsatz von Exoskeletten sind für Unternehmen und Versicherte von großem Interesse.
Exoskelette eröffnen die Möglichkeit einer Verbesserung des Arbeitsschutzes, besonders bei Tätigkeiten, bei denen auf Grund der Spezifik der Arbeitssituation, (z.B. Zugänglichkeit des Arbeitsbereichs, Art des Arbeitsmittels bzw. Arbeitsgegenstands) bisher keine oder nur unzureichende technische Hilfsmittel, z.B. beim Heben schwerer Lasten oder bei Arbeiten in Zwangshaltung, eingesetzt werden können. In Folge dessen könnten Exoskelette in Zukunft eine stärkere Entlastung des Muskel-Skelett-Systems bei spezifischen Tätigkeiten ermöglichen. Einschlägige wissenschaftliche Begleitstudien, zum Beispiel in den Bereichen Arbeitsmedizin, Biomechanik/ Arbeitsphysiologie, Sicherheitstechnik, stehen jedoch erst am Anfang.
Grundsätzlich an allen Arbeitsplätzen, an denen körperliche Arbeit oder Tätigkeiten in Zwangshaltungen zu leisten sind. Dabei kommen Exoskelette besonders dort infrage, wo andere technische Hilfsmittel, wie Gabelstapler, Kran und Vakuumheber etc., nicht zum Einsatz kommen können. Dies ist in der Regel bei nicht stationären Arbeitsplätzen der Fall, z.B. bei der Möbelauslieferung. Hier könnte die körperliche Entlastung der Beschäftigten auch zu einer Reduzierung des Unfallgeschehens, arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren und von Ausfallzeiten beitragen.
In Bereichen mit stationären Arbeitsplätzen lassen sich diese in den meisten Fällen ergonomisch gestalten, sodass auf Exoskelette verzichtet werden kann. Dies sollte auch immer das erste Bestreben der Arbeitsplanung sein. Die Auswahl an technischen Maßnahmen für stationäre Arbeitsplätze ist sehr vielfältig. Hier können beispielsweise Lastenmanipulatoren, Gabelhubwagen, Scherenhubtische, Vakuumheber, höhenverstellbare Arbeitstische eingesetzt werden, um körperliche Belastung zu reduzieren.
Auch bei der Verwendung von Exoskeletten am Arbeitsplatz ist der Arbeitgeber gemäß Arbeitsschutzgesetz zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet. Im Rahmen dieser Gefährdungsbeurteilung sind Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu ermitteln und zu bewerten sowie wirksame Schutzmaßnahmen inkl. Unterweisungen abzuleiten und umzusetzen. Insbesondere sind hierbei die Schutzziele und Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung sowie ggf. die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit zu berücksichtigen.
Eine Arbeitshilfe für die Gefährdungsbeurteilung beim Einsatz von Exoskleletten an Arbeitsplätzen steht auf der Internetseite des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) zum Download zur Verfügung.
Die sicherheitstechnischen Anforderungen an Exoskelette werden im Wesentlichen vom Einsatzzweck (bestimmungsgemäße Verwendung) abhängig sein. Die hieraus resultierende Zuordnung von Exoskeletten zum Geltungsbereich einer EU Richtlinie ist derzeit auf europäischer Ebene noch in der Diskussion.
Denkbar wäre eine Zuordnung als technisches Hilfsmittel zur RL 2006/42/EG (Maschinenrichtlinie). So werden beispielsweise im Anhang 1 der Maschinenrichtlinie verbindliche Schutzziele beschrieben. Diese können bereits jetzt Anhaltspunkte für die Vermeidung von Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit beim Einsatz von Exoskeletten geben. In Deutschland wird diese EG-Richtlinie durch die Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung - 9. ProdSV) in nationales Recht umgesetzt.
Bei der Verwendung als medizinisches Hilfsmittel, z.B. im Rahmen der beruflichen Wiedereingliederung, könnte die europäische Richtlinie 93/42/EWG für Medizinprodukte bzw. das Medizinproduktegesetz (MPG) in Deutschland zur Anwendung kommen.
Da Exoskelette aus unserer Sicht als personengebundene Maßnahme Beschäftigte vor einer Überlastung durch Hebe- oder Tragetätigkeiten oder durch Tätigkeiten mit Zwangshaltungen schützen sollen, ist auch eine Zuordnung zur PSA-Richtlinie 89/686/EWG (Persönliche Schutzausrüstung) möglich. Die PSA-Richtlinie 89/686/EWG wird schrittweise bis 2019 durch die europäische PSA-Verordnung (EU) 2016/425 ersetzt.
Erst auf Grund des Einsatzzweckes und der daraus resultierenden Zuordnung zu einer der o.g. Richtlinien wäre es möglich, detaillierte sicherheitstechnische Anforderungen für Exoskelette festzulegen.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass bei aktiven Exoskeletten, bei denen elektrische oder pneumatische Antriebe die menschliche Kraft aktiv unterstützen und verstärken, eine Fehlfunktion bzw. eine Fehlbedienung des Exoskeletts zu Verletzungen führt. Diese Gefährdung muss durch sicherheitstechnische Maßnahmen des Inverkehrbringers ausgeschlossen sein. Für mechanische Einwirkungen, die bestimmungsgemäß oder aufgrund einer Fehlfunktion vom Exoskelett auf den Körper einwirken können, wären die für kollaborierende Roboter nach DIN ISO TS 15066 hinterlegten, biomechanischen Grenzwerte ein erster Ansatz.
Die Kraftunterstützung durch Exoskelette muss in Bezug auf die effektiven Gewichte der zu handhabenden Lasten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung bewertet werden. Es muss sichergestellt sein, dass Beschäftigte (z.B. gemäß BAuA-Leitmerkmalmethode "Heben und Tragen") möglichst im "grünen Bereich" belastet werden.
Bei der Benutzung eines Exoskelettes können Gefährdungen im Zusammenhang mit Stolper- oder Sturzunfällen entstehen. Bei einem unfallartigen Ereignis ist das Risiko groß, dass die Beschäftigten, unter anderem aufgrund des zusätzlichen Gewichts oder den ausladenden mechanischen Komponenten, schwerere Verletzungen davontragen als ohne Exoskelett. Auch deshalb muss grundsätzlich eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden. Außerdem muss hinterfragt werden, in welcher Weise es möglich ist, aus einer plötzlich auftretenden Gefahrensituation mit einem angelegten Exoskelett schnell und sicher zu flüchten.
Die Einsatzmöglichkeiten von aktuell verfügbaren Exoskeletten legen derzeit eine Einordnung als personenbezogene bzw. personengebundene Maßnahme nahe. In der Hierarchie der Schutzmaßnahmen, dem so genannten TOP-Prinzip, stehen sie damit an letzter Stelle. Das bedeutet, vor dem Einsatz von Exoskeletten sind zunächst alle technischen und organisatorischen Maßnahmen auszuschöpfen, um die Handhabung schwerer Lasten oder Zwangshaltungen zu vermeiden. Sollte dies nicht möglich sein, ist der Einsatz eines Exoskelettes als personengebundene Maßnahme sinnvoll. Der Einsatz sollte immer mit entsprechenden verhaltensbezogenen Maßnahmen, wie Unterweisungen und Übungen, gekoppelt werden.
Exoskelette wurden zivil primär für therapeutische Zwecke entwickelt und werden in diesem Zusammenhang bereits seit längerem genutzt (REHA, Therapie, etc.). Werden Exoskelette bei der Wiedereingliederung von vorerkrankten Beschäftigten eingesetzt, sollte dies mit der Betriebsärztin/dem Betriebsarzt und mit dem Ergotherapeuten/der Ergotherapeutin eng abgestimmt werden, weil sich der zu berücksichtigende Erkenntnis- und Erfahrungsstand dynamisch entwickelt.
Exoskelette sollten den Körperproportionen der Trägerin/des Trägers angepasst sein oder müssen sich individuell einstellen lassen. Bei manchen Geräten lässt sich auch der Grad der technischen Unterstützung wählen. Dafür wird es wahrscheinlich schon in naher Zukunft weitere Entwicklungen geben.
Hierfür gibt es Anhaltspunkte und fachliche Abschätzungen. Für konkrete Aussagen, z. B. zur Beeinflussung der Muskulatur, müssen erst ausreichende Erkenntnisse und Praxiserfahrungen gewonnen werden, daher sind Forschungsvorhaben erforderlich.
Der Fachbereich Handel und Logistik der DGUV hat aus diesem Grund das Projekt "Exo@work - Bewertung exoskelettaler Systeme in der Arbeitswelt" initiiert, welches von der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik finanziert wird. Es werden die Wirksamkeit von Exoskeletten im betrieblichen Einsatz sowie deren Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten untersucht. Ziel des Projektes Exo@work ist die Entwicklung eines Leitfadens zur Evaluation von Exoskeletten als Handlungshilfe für die Arbeitswelt.
Angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels ist es eine wesentliche Herausforderung für die Wirtschaft, Beschäftigte möglichst lange und gesund im Arbeitsprozess zu halten. Der Einsatz von Exoskeletten kann hier ein möglicher Ansatz sein. Allerdings müssen, wie in den vorherigen Punkten beschrieben, noch einige sicherheitstechnische, ergonomische und ethische Fragen geklärt werden. Es ist jedoch denkbar, dass Exoskelette in einigen Jahren eine Serienreife erlangen, kostengünstig produziert und in einem breiten Anwendungsspektrum genutzt werden können. Beschäftigte in verschiedenen Altersklassen und Einsatzbereichen könnten davon profitieren.
Dazu liegen noch keine ausreichenden Erkenntnisse/Praxiserfahrungen vor. Es wäre aber denkbar, wie auch bei kollaborierenden Robotern, damit einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Behinderungen in Arbeits- bzw. Produktionsprozesse zu leisten (s.a. Projekt AQUIAS).
In unterschiedlichen Veröffentlichungen werden Exoskelette als leistungssteigernd beschrieben (mit vermuteten Steigerungen bis zu 27%). Damit werde auch die Wertschöpfung erhöht, besonders durch eine mögliche Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitszeiten. Mit einem Exoskelett sollen zum Beispiel Lasten von 80 kg bis 90 kg von einer Person manuell transportiert werden können. Technisch unterstützte Steigerungen der körperlichen Leistungsfähigkeit von Beschäftigten sind nur dann akzeptabel und hilfreich, wenn alle Fragen zu Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit geklärt sind und in der Praxis entsprechende Schutzmaßnahmen wirksam umgesetzt werden können.
Eine Produktnorm für Exoskelette im Industriebereich existiert bisher noch nicht. Es ist jedoch empfehlenswert, sich zumindest an bereits existierenden Normanforderungen zu orientieren, zum Beispiel an der DIN EN ISO 13482:2014-11 "Roboter und Robotikgeräte – Sicherheitsanforderungen für persönliche Assistenzroboter" oder an der DIN EN ISO 10218-1 "Industrieroboter".
Außerdem muss darauf geachtet werden, dass die Schnittstelle Mensch-Maschine ergonomisch gestaltet ist und nicht zusätzlich ungünstige Belastungen oder gar Fehlbedienungen zur Folge hat oder möglicherweise zu Unfällen führt. Eine komfortable Handhabung der Exoskelette, z.B. geringer Aufwand beim An- und Ablegen (z.B. bei Pausen oder Toilettengang) ist Voraussetzung.
Eine frühzeitige Kooperation mit den Experten und Expertinnen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) bzw. des zuständigen Unfallversicherungsträgers unterstützt bei der Entwicklung von Produkten, die die Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit erfüllen.
Exoskelette, die an einem nicht stationären Arbeitsplatz im Freien eingesetzt werden, müssen wetter- und umgebungstauglich sein, z.B. unempfindlich gegenüber Staub. Auch bei Nässe sowie witterungsbedingter Hitze- und Kälteeinwirkungen muss ein Exoskelett noch störungsfrei arbeiten und angenehm zu tragen sein. Für einen Dauereinsatz ist auf ein geringes Eigengewicht der Geräte zu achten. Dadurch erhöht sich die Akzeptanz bei den Beschäftigten. Für eine zu erwartende Verschmutzung muss eine einfache Reinigung möglich sein.
Weil die individuellen Arbeitsweise der Beschäftigten durch den Einsatz von Exoskeletten beeinflusst werden können, sollten potentiell Betroffene früh in die Entwicklung und Planung möglicher Einsatzbereiche einbezogen werden.