Mit Gewalt umzugehen und ihr vorzubeugen, ist eine Herausforderung, vor der alle Schulen stehen. Die gesetzliche Unfallversicherung steht ihnen dabei mit ihren Angeboten zur Seite.
Gewaltprävention – erster Schritt: Haltung zeigen
"Gewaltprävention beginnt mit einer Verständigung innerhalb der Schulgemeinschaft auf den Grundsatz, dass die Gemeinschaft Gewalt nicht toleriert", sagt die Präventionsexpertin Annette Michler-Hanneken. Sie ist Leiterin des Fachbereichs Bildungseinrichtungen beim Verband der Unfallkassen und Berufsgenossenschaften, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Diese Verständigung kann zum Beispiel als Leitbild formuliert werden. "Es gibt hierzu bereits viele gute Beispiele, von denen man lernen kann", so Michler-Hanneken. "Niemand muss hier auf der grünen Wiese anfangen."
Die Selbstverpflichtung, Gewalt nicht zu akzeptieren, dient als Grundlage für weitere Maßnahmen, die das Schulklima insgesamt in den Blick nehmen. Der Grund: "Gewaltprävention gelingt nur systemisch", sagt Dr. Franka Christen, Schulleiterin aus Mönchengladbach und Testimonial der Kampagne #GewaltAngehen. "Wir brauchen eine Schulkultur, in der sich alle geschützt, wohl, wertgeschätzt und eingebunden fühlen. Das ist eine immerwährende Aufgabe, die man immer wieder überarbeiten und nachsteuern muss."
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Gute gesunde Schule
Mit Gesundheit die eigene Schule nicht nur zu einem Ort entwickeln, an dem Schülerinnen und Schüler gerne lernen, sondern auch besser – dieser Gedanke steht im Zentrum des Präventionsangebots, das die gesetzliche Unfallversicherung für Bildungseinrichtungen bereithält. Es umfasst zum einen Informationen zur sicheren Gestaltung des Schulgebäudes und -geländes. Zum anderen erhalten Bildungseinrichtungen auch Rat zur Schulentwicklung und Angebote zur Qualifizierung. Mehr dazu finden Sie auf der Website Ihrer Unfallkasse.
Zweiter Schritt: Bestandsaufnahme
Im nächsten Schritt sollte eine Bestandsaufnahme des aktuellen Geschehens und bereits getroffener Maßnahmen erfolgen. Mit Ausnahme von Neugründungen starten wenige Schulen in Sachen Gewaltprävention bei null. Beispielsweise gaben 84 Prozent der Lehrkräfte in einer Umfrage der gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Jahr 2024 an, dass Gewaltprävention im Programm ihrer Schule verankert sei (DGUV Barometer Bildungswelt 2024).
Zu einer Bestandsaufnahme gehört, sich einen Überblick über das Gewaltgeschehen in der Schule zu verschaffen. Eine systematische Erfassung von Gewaltvorfällen ist hierfür von Vorteil, denn sie ermöglicht, Schwerpunkte zu identifizieren und wirksame Maßnahmen abzuleiten. Kommt es beispielsweise an bestimmten Stellen des Schulgeländes immer wieder zu Vorfällen, kann die Schule mit technischen oder organisatorischen Maßnahmen darauf reagieren (zum Beispiel Zugangsregelungen oder Änderungen bei der Pausenaufsicht). "Leider geben nur rund ein Viertel der Lehrkräfte an, dass ihre Schule Gewaltvorfälle systematisch erfasst", so Michler-Hanneken. "Das wäre aus unserer Sicht ein Ansatzpunkt für Verbesserungen."
Zur Bestandsaufnahme gehört auch, zu prüfen, ob es für Gewaltvorkommnisse unterschiedlicher Art festgelegte Vorgehensweisen und Nachsorgekonzepte gibt, und ob diese allen an der Schule tätigen Personen bekannt sind. Die Bestandsaufnahme bildet die Grundlage für das weitere Vorgehen.
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Was tun bei Gewaltereignissen?
Zur Prävention von Gewalt gehört auch, klar zu regeln, wie die Schule mit konkreten Gewaltereignissen umgehen will. Beispielsweise kann ein Team aus Lehrkräften, Beratungslehrerinnen und -lehrern, Fachleuten für Sozialarbeit, Psychologie und Sonderpädagogik gebildet werden. Dieses Team tritt im akuten Krisenfall zusammen und bespricht das weitere Vorgehen. In fast allen Bundesländern gibt es sog. Notfall- oder Krisenordner, die Ablaufpläne für verschiedene Situationen, sowie Mitglieder, Aufgaben und Arbeitshilfen für das schulische Krisenteam enthalten.
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Gewalt als Versicherungsfall
Wenn es in Folge einer gewalttätigen Auseinandersetzung im Schulbetrieb zu Verletzungen kommt, kann es sich um einen versicherten Schulunfall handeln. Ein Vorfall muss immer dann als Schulunfall gemeldet werden, wenn ärztliche Hilfe erforderlich ist. Gewaltereignisse können aber auch dann per Unfallanzeige gemeldet werden, wenn bei Betroffenen keine offensichtliche körperliche Verletzung oder eine Arbeitsunfähigkeit vorliegen, die Verantwortlichen der Bildungseinrichtung aber vermuten, dass der oder die Betroffene Unterstützung bei der Verarbeitung des Erlebnisses benötigen könnte. Der Unfallversicherungsträger steuert dann das weitere Vorgehen zum Beispiel im Hinblick auf eine gegebenenfalls erforderliche psychotherapeutische Behandlung. Das Augenmerk liegt hier auf einer möglichst zeitnahen Hilfe für die Betroffenen.
Dritter Schritt: Geeignete Maßnahmen finden
Gewalt kann unterschiedliche Ursachen haben und Formen (z. B. körperlich oder verbal) annehmen. Sie kann zudem durch äußere Faktoren begünstigt werden. Je nachdem, welche Schwerpunkte in der Bestandsaufnahme identifiziert worden sind, können unterschiedliche Maßnahmen eingesetzt werden.
Zu den Faktoren, die Gewalt begünstigen können, gehören zum Beispiel räumliche Gegebenheiten (wie eine schlecht einsehbare Ecke des Schulgeländes oder ein ungesicherter Zugang zum Gebäude). Entsprechende technische Maßnahmen können helfen, diese Gefahrenstellen zu verringern.
Gewalt kann aber auch durch individuelle Faktoren begünstigt werden – wie Impulsivität oder mangelnde Sozial- und Problemlösungskompetenz. „Eine Schlüsselrolle, um diesen begünstigenden Faktoren zu begegnen, nimmt die psychische Gesundheit ein“, sagt Annette Michler-Hanneken. Schulen können hier mit Maßnahmen ansetzen, indem sie ein achtsames und fürsorgliches Schulklima gestalten, Lebenskompetenzen vermitteln oder eine wertschätzende Kultur der Prävention entwickeln. Eine begleitende Qualifizierung der Lehrkräfte kann die Schulentwicklung in diesem Bereich zusätzlich unterstützen
Die Unfallkassen bieten hierzu in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität und der Barmer das Programm "MindMatters" an.
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MindMatters
"MindMatters" bietet spezielle Schulentwicklungsmodule für das Kollegium und die Schulleitung. Sie sollen Schulen bei der Förderung der psychischen Gesundheit unterstützen und bieten Anregungen und Hilfestellungen auf dem Weg zu einer guten gesunden Schule. Das Programm hilft Kindern und Jugendlichen dabei, ihre Gefühle besser zu verstehen und zu bewältigen. Das fördert ein positives Schulklima, trägt dazu bei, dass Konflikte konstruktiv gelöst werden und wirkt präventiv gegen Gewalt. Schulen, die am Programm MindMatters teilnehmen möchten, können sich über die Website registrieren. Danach erhalten sie Zugang zu allen Materialien und können an Fortbildungen in Präsenz oder digital teilnehmen.
Angebote in den Ländern
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Wegweiser Grüne Liste
Eine Datenbank mit wissenschaftlich evaluierten Präventionsprogrammen bieten die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention und der Landespräventionsrat Niedersachsen an. Der Wegweiser Grüne Liste ermöglicht die Auswahl eines geeigneten Programms nach Thema, Zielgruppe und institutionellem Rahmen.
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Bundesweit
Informationen zu Sicherheit und Gesundheit in der Schule sowie weiterführende Links – zum Beispiel zum Portal "Sichere Schule" – finden sich im Netz beim Verband der Unfallkassen und Berufsgenossenschaften, Deutsche Gesetzlichen Unfallversicherung. Das Sachgebiet Allgemeinbildende Schulen informiert hier auch über Themen der Schulentwicklung, zum Beispiel das Programm "MindMatters". Es bietet zudem eine Information zu den erforderlichen Rahmenbedingungen für Selbstverteidigungsangebote in der Schule an.
Die Zeitschrift "pluspunkt", die Schulen kostenfrei über ihre Unfallkasse beziehen können, informiert über Sicherheit und Gesundheit im Schulbetrieb. Die Redaktion greift regelmäßig auch das Thema Gewaltprävention auf. Eine Übersicht über Materialien zur Gewaltprävention findet sich auch auf dem DGUV-Portal "Lernen und Gesundheit".
Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft hält ein E-Learning zur Gewaltprävention in Bildungseinrichtungen bereit, weitere Hinweise und Medien der VBG.
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Baden-Württemberg
Die Unfallkasse Baden-Württemberg unterstützt ihre versicherten Einrichtungen mit verschiedenen Angeboten zur Gewaltprävention. Eine Übersicht über Seminare zu Gewaltprävention und Deeskalation findet sich hier. Mobbing und Cybermobbing thematisiert das Präventionstheater "Hop oder top", das Schulen über die Unfallkasse buchen können.
Zudem prämiert die UKBW jedes Jahr am "Tag der Schülersicherheit" in einer eigenen Kategorie "Gewaltprävention" wegweisende Projekte an Schulen. Die Gewinnerschulen stellen wiederum ihre Gewaltpräventions-Konzepte als Best-Practice-Beispiele anderen Bildungseinrichtungen zur Verfügung.
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Bayern
Die KUVB / Bayer. LUK bieten für Schulen in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus das Programm MindMatters an.
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Berlin
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Brandenburg
Die Unfallkasse Brandenburg bietet ein Seminar zum Thema "Krisenteam an Schulen". Dieses Seminar mit den Inhalten - Prävention von Gewalt an Schulen - Warnsignale von Gewalt erkennen - Krisenintervention - Netzwerkarbeit - praxisnahe Übungen richtet sich an Schulleitungen und interessierte Lehrkräfte.
Zudem wird die Umsetzung des Schulentwicklungsprogramms MindMatters in Brandenburg durch die UKBB unterstützt.
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Bremen
Siehe bundesweit und Niedersachsen.
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Hamburg
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Hessen
Die Unfallkasse Hessen informiert auf ihrer Website über "MindMatters" und ihr Schulungsangebot dazu.
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Mecklenburg-Vorpommern
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Niedersachsen
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Nordrhein-Westfalen
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Eine Vielzahl von explizit oder generalpräventiv auf Gewalt bezogene Seminarangebote.
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Förderung von Schulen bei der Nutzung des theaterpädagogischen Angebotes "Berichte über Gewalt" für ihre Präventionsarbeit.
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Handreichung "Checkliste Qualitätskriterien" zur Beurteilung der Qualität von Gewaltpräventionsangeboten. die.
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Das Präventionsprogramm "MindMatters" bietet Schulen über die psychische Gesundheit auch einen wirkungsvollen Zugang zur Gewaltprävention.
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Der "Notfallordner – Hinsehen und Handeln NRW" bietet mit dem frei zugänglichen Teil zur "Krisenprävention" eine umfangreiche Handlungsempfehlung, die in Kooperation zwischen dem Ministerium für Schule und Bildung des Landes NRW und der Unfallkasse NRW entwickelt und veröffentlicht wurde.
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In Kooperation mit der Bezirksregierung Münster Handreichung "Gewalt gegen Lehrkräfte".
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Die Konfliktschulung "Gewaltfrei Lernen" ist ein weiteres Angebot zur Gewaltprävention, das Grundschulen in NRW auch über die Unfallkasse NRW nutzen können.
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Rheinland-Pfalz
Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz bietet spezifische Qualifizierungen für Schulen zu Gewaltprävention an. Neben dem Angebot zu "MindMatters" werden unterschiedliche Ausbildungen und Begleitungen zur Einführung von Schülerstreitschlichtungssystemen, Seminare zur Sensibilisierung von Lehrkräften im Umgang mit Gewalt und in Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern Seminare zu spezifischen Themen wie "Sexualisierte Gewalt" durchgeführt. Eine Übersicht der Seminare gibt es hier.
Darüber hinaus berät und unterstützt die Unfallkasse Rheinland-Pfalz Schulen präventiv wie sekundärpräventiv im Umgang mit Gewaltereignissen und gibt gemeinsam mit den Partnern auf Landesebene die "Handreichung für den Umgang mit Krisensituationen an Schulen" (Krisenordner) heraus. Diese ist hier zu finden.
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Saarland
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Sachsen
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Sachsen-Anhalt
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Schleswig-Holstein
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Thüringen
Die Unfallkasse Thüringen bietet ihren versicherten Einrichtungen verschiedene Angebote zur Gewaltprävention. Dazu gehören auch Fortbildungsveranstaltungen zum Programm "MindMatters". Für Schulleitungen und Multiplikatoren werden Seminare zu Gewaltprävention, Deeskalation und (Cyber-)Mobbing angeboten. Das Seminarangebot kann über die Website der Unfallkasse abgerufen werden.