abgeschlossen 01/2011
Aromatische Amine wie 2-Naphthylamin gelten im Rahmen der Berufskrankheit 1301 als Verursacher von Krebserkrankungen der Harnwege (insbesondere Blasenkrebs). 2-Naphthylamin und andere aromatische Amine sind Bestandteile von Steinkohlenteerprodukten, die bis in die 1960er- und 1970er-Jahre in Betrieben der BG BAU als Arbeitsstoffe verwendet wurden. Bekannte Beispiele sind die Heißverarbeitung von Straßenteer oder das Abdichten von Flachdächern mit Teerklebemassen und Teerpappen. Bei Recherchen im Zusammenhang mit angezeigten Fällen von Berufskrankheiten wurde wiederholt festgestellt, dass es aus der Vergangenheit keine Expositions-Messdaten zur Belastung von Dachdeckern gibt, sodass eine arbeitsmedizinische Beurteilung der zu entscheidenden Fälle schwierig ist. Die BG BAU hat daher angeregt, Dachdeckerarbeiten unter vergleichbaren Bedingungen wie in der Vergangenheit mit Verwendung von Teerklebemassen nachzustellen und die Expositionshöhen krebserzeugender Amine zu bestimmen.
Folgende Vorgehensweise wurde geplant, wobei die Durchführung der einzelnen Schritte vom Ergebnis des vorangegangenen Schritts abhängig gemacht wurde. Nach Ermittlung der Zusammensetzung bzw. der Rezeptur ehemaliger Teerklebemassen (Schritt 1) wurde die Herstellung einer entsprechenden Klebemasse (Schritt 2) bei einer teerverarbeitenden Firma in Auftrag gegeben. Den dritten Schritt stellte die Beschaffung eines alten Teerkochers und Kontaktaufnahme zu einem älteren Dachdecker dar, der über Kenntnisse der früheren Arbeitstechniken verfügt. Nach Worst-case-Messungen beim Aufheizen der Teerklebemasse im Teerkocher wurden hohe Aminkonzentrationen ermittelt, sodass eine Dachfläche gebaut (Holzkonstruktion) und Expositionsmessungen bei Klebearbeiten durchgeführt wurden.
In zwei Messkampagnen im Juli und Oktober 2010 wurden Expositionsmessungen für die aromatischen Amine 2-Napthylamin, o-Toluidin, 4-Aminobiphenyl und 2,4,5-Trimethylanilin durchgeführt. Zusätzlich wurden die Konzentrationen polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe ermittelt. Gemessen wurde am Teerkocher und bei den Klebearbeiten auf der Dachfläche. Die Proben der Messkampgne im Juli wurden in drei Laboratorien analysiert: 1. IFA, 2. Fachhochschule Münster, 3. Biochemisches Institut für Umweltcarcinogene (BIU). Da die Ergebnisse in einem relativ großen Bereich schwankten und die einzelnen Labore jeweils andere Proben ausgewertet hatten, stellte sich die Frage, ob dies durch die natürliche Streuung von Probenahmen im Freien verursacht war, oder ob die unterschiedliche Analytik der Labore die Ursache hierfür darstellte. Daher wurden bei der zweiten Messkampagne im Oktober ein Teil der Proben 50 : 50 geteilt und in zwei Laboren (IFA und BIU) analysiert. Dies führte zu zufriedenstellend vergleichbaren Ergebnissen. Auch waren die Schwankungen zwischen den einzelnen Probenahmen wesentlich geringer. Für die Exposition eines Dachdeckers beim Verkleben von Dachpappe mit heißen Teerklebemassen wurde eine Expositionskonzentration von 2,5 µg/m³ (doppelter arithmetischer Mittelwert) ermittelt. Für die Arbeiten am Teerkocher ergab sich 14,8 µg/m³ (doppelter arithmetischer Mittelwert). Hieraus können in Berufskrankheiten-Fällen entsprechende Belastungsdosen abgeleitet werden.
Bauwirtschaft
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, Gefahrstoffe
Schlagworte:Exposition, Chemische Arbeitsstoffe, Berufskrankheit
Weitere Schlagworte zum Projekt:krebserzeugende Gefahrstoffe, Exposition, aromatische Amine, Berufskrankheit 1301, Teer