Alterung von Sichtscheiben aus Polycarbonat unter dem Einfluss von neuen Kühlschmierstoffen (KSS)

Status:

laufend

Zielsetzung:

Sichtscheiben von Werkzeugmaschinen bestehen aus einem duktilen Kunststoff, in der Regel Polycarbonat (PC). Die Duktilität des PC lässt im Verlauf der Einsatzdauer u. a. infolge des Kontakts mit Kühlschmierstoffen (KSS) nach, was zu einer Verringerung der Rückhaltefähigkeit der Sichtscheiben führt und somit zu einer Unfallgefahr. Aus diesem Grund sind Austauschintervalle für Sichtscheiben von Werkzeugmaschinen vorgeschrieben (siehe z. B. DIN EN ISO 16090-1:2019 und DIN EN ISO 23125:2015). Die Intervalle betragen je nach Hersteller und der Art des Schutzes (kein Schutz, Coating, Folie oder Einscheiben-Sicherheits-Glas (ESG)) sowie in Abhängigkeit der eingesetzten KSS zwei bis zwölf Jahre. Dies fußt auf Erkenntnissen von Untersuchungen, die zwischen 1999 und 2014 hausintern im Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) durchgeführt wurden. Bei kürzlich intern durchgeführten Beschussversuchen im Rahmen einer Unfalluntersuchung ist aufgefallen, dass die Rückhaltefähigkeit von Sichtscheiben, die lediglich ein Jahr im Einsatz waren, erheblich zurückgegangen ist. Als Ursache kommen die Verwendung neuer KSS im Zuge der REACH-Verordnung, Änderungen im Herstellungsprozess des PC oder auch Auswirkungen neuer Coatingverfahren in Betracht, die zu einer vorzeitigen Alterung und Versprödung von PC führen können. In jedem Fall stellt die beobachtete schnelle Versprödung ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Maschinenbedienende dar.

Ziel der Versuchsdurchführung ist das Ermitteln des Ausmaßes der Versprödung der Sichtscheiben, da PC unter KSS-Einfluss durch verschiedene Mechanismen wie Quellen, Diffusion, Hydrolyse und Thermooxidation altert.

Ein weiteres Ziel ist es, den Versprödungsmechanismus hinsichtlich der Einwirkungen und der Zeitabhängigkeit zu verstehen, um auf dieser Basis Handlungsempfehlungen für Werkzeugmaschinenhersteller und -betreiber ableiten zu können. Die Handlungsempfehlungen stellen einen wichtigen Beitrag zur Überarbeitung der DGUV Information "Schutzscheiben" (jetzt: Fachbereich AKTUELL der BG Holz und Metall) dar. Außerdem sollen die Ergebnisse in die Normen für Werkzeugmaschinen eingebracht werden. Dieses Projekt ist eng mit dem Forschungsprojekt "Alterung von Sichtscheiben" der BG Holz und Metall verknüpft.

Aktivitäten/Methoden:

Es sind Auslagerungsversuche in KSS an drei unterschiedlichen Typen von PC-Platten mit Dicken von 8 mm geplant. Hierbei handelt es sich um unbeschichtetes PC, beidseitig mit Cyanacrylat beschichtetes PC und beidseitig mit Polysiloxan beschichtetes PC.

Die Auslagerungsversuche erfolgen je Plattentyp in drei unterschiedlichen Medien (VE-Wasser/wassermischbarer, borfreier esterbasierter KSS/wassermischbares, borfreies Mineralöl-Basisfluid) über einen Zeitraum von einem Jahr und werden am Kunststoffinstitut Lüdenscheid (KIMW) durchgeführt. Hierzu werden Tauchbecken eingesetzt, in denen die Platten werktags bei Raumtemperatur über einen Zeitraum von acht Stunden in Medienkontakt gelagert werden. Die KSS-Medien werden hinsichtlich der Vorgaben der VDI-Richtlinie 3397-2 überwacht.

Vor der Auslagerung wird zunächst der Ausgangszustand der PC-Platten hinsichtlich der Rückhaltefähigkeit und der folgenden Parameter bestimmt: Gewicht, Schmelzviskosität, Shore-Härte, Zugfestigkeit und Bruchdehnung.

In einem Abstand von drei Monaten werden jeweils fünf PC-Platten aus den Tauchbecken entnommen, von denen vier am IFA Beschussversuchen und weiteren Untersuchungen, wie Lichtmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie und Infrarot-Spektroskopie unterzogen werden. An der fünften Platte werden am KIMW das Gewicht, die Schmelzviskosität, die Shore-Härte sowie die Zugfestigkeit und Bruchdehnung bestimmt.

Parallel werden zu Vergleichszwecken PC-Platten auf dem Dach des IFA einer Freibewitterung zur Ermittlung des Einflusses von UV- und Globalstrahlung ausgesetzt und in einem Innenraum unter Umgebungsbedingungen über einen Zeitraum von zwei Jahren gelagert. An diesen Platten werden ebenfalls die oben aufgeführten Untersuchungen im IFA durchgeführt.

Stand: