abgeschlossen 01/2020
Beschäftigte im Einzelhandel sind einer vielfältigen Lärmeinwirkung ausgesetzt. Diese ist zwar nicht innenohrschädigend, kann aber sogenannte extra-aurale Lärmwirkungen hervorrufen. Hierbei handelt es sich um psychophysiologische Wirkungen, wie beispielsweise die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen, Beeinträchtigung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, Anspannung, Nervosität und schnelle Ermüdung. Über die tatsächliche Belastung durch Lärm im Einzelhandel ist wenig bekannt. Das Projekt soll Aufschluss über die wesentlichen branchenspezifischen Belastungsfaktoren geben und eine erste Datengrundlage schaffen, anhand derer neuartige Methoden zur Erfassung und Beurteilung extra-auraler Lärmwirkungen im Arbeitsschutz entwickelt werden können.
In dem Gemeinschaftsprojekt hat die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) Mitgliedsbetriebe akquiriert. Die Teilnahme erfolgte freiwillig und nach umfangreicher Aufklärung. Der Schwerpunkt lag auf dem Lebensmittel- und Textileinzelhandel. Der Messtechnische Dienst der BGHW führte mit Unterstützung durch das IFA Betriebsmessungen zur Erfassung der akustischen Situation durch. Vorgesehen waren Messungen der Raumakustik, Ermittlung der personenbezogenen Lärmexposition, ortsfeste Messungen des Raumpegels sowie die Erhebung psychoakustischer Kennwerte. Zur Ermittlung der psychischen Belastung und Beanspruchung sollten die Beschäftigten Fragebögen ausfüllen. Hierbei handelte es sich um standardisierte und validierte Produkte (BASA II, LEF-K), die von der Projektgruppe um die Lärmproblematik erweitert wurden. Das Ausfüllen der Fragebögen durch die Beschäftigten im Betrieb geschah freiwillig und anonym. Die Erstellung der Fragebögen sowie deren Auswertung erfolgte durch das IAG. Schließlich wurden die Ergebnisse der Messungen und Fragebögen durch IAG und IFA auf mögliche Korrelationen untersucht.
Es wurden über 100 Stunden personenbezogene Lärmexposition an 42 Beschäftigten in 18 Filialen erfasst sowie 40 Messungen der Raumschalldruckpegel im Kassenbereich durchgeführt. Zusätzlich wurden Nachhallzeiten und psychoakustische Parameter ermittelt. Eine Bestimmung des Beurteilungspegels nach der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A3.7 war anhand der durchgeführten Messungen nicht möglich, da sich die Vorgaben des Regelwerks nicht einhalten ließen. Die Lärmexposition war tätigkeitsübergreifend vergleichbar und belief sich auf etwa 73 +- 4 dB(A). Im Vergleich dazu lagen die Raumpegel im Bereich der Kasse bei etwa 64 dB(A). Trotz guter Raumakustik konnten die Grenzwerte für Tätigkeiten der Kategorie II nach ASR A3.7 im Kassenbereich in über 50 % der gemessenen Fälle nicht eingehalten werden. Die Befragung der Mitarbeitenden zeigte, dass die psychische Belastung nicht von der individuellen Lärmempfindlichkeit abhängt. Dagegen hatte die Lärmempfindlichkeit aber einen Einfluss auf die Beanspruchung der Beschäftigten. Zu den lärmspezifischen Belastungsmerkmalen mit Handlungsbedarf gehörten beispielsweise eine hohe Geräuschkulisse und Pieptöne im Bereich der Kasse sowie Musik und Durchsagen im Geschäft. Die Befragungsergebnisse zeigten allgemein keine Korrelation zu den erhobenen physikalischen Messwerten und akustischen Beurteilungsgrößen. Eine umfassende Übersicht aller Ergebnisse, Beurteilungen und möglicher Lärmminderungsmaßnahmen sowie praktischer Hilfestellungen zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung soll im Nachgang des Projekts als DGUV-Report veröffentlicht werden.
Einzelhandel
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren
Schlagworte:Lärm, Arbeitsumwelt (Belastungen, Gefährdungen, Expositionen, Risiken), Psychische Beanspruchung/Belastung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Akustik, Lärm, Arbeitsplatz, Einzelhandel, extra-aurale Lärmwirkungen, Stress, Fragebögen, psychische Belastung, Beanspruchung, Gefährdungsbeurteilung, Arbeitsstätten