abgeschlossen 12/2014
Gehörschutz erreicht im praktischen Einsatz in Betrieben oftmals nicht die Schalldämmwerte, die in Labormessungen bei der Baumusterprüfung ermittelt werden. Dies gilt vor allem für Gehörschutzstöpsel. Hauptgründe dafür sind in der Regel ein fehlerhaftes Einsetzen der Stöpsel. Für die Produktgruppe der Gehörschutz-Otoplastiken liegt es oft an einer falschen Passform, die zu Undichtigkeiten führt. Daher werden z. B. in den Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung für Otoplastiken sogenannte Funktionskontrollen gefordert, die bei der Auslieferung und danach regelmäßig alle zwei Jahre durchzuführen sind, um die Schutzwirkung sicherzustellen. Eine Möglichkeit, diese individuelle Funktionskontrolle durchzuführen, ist die Bestimmung der Schalldämmung mithilfe eines Audiometers, indem die Hörschwelle des Gehörschutzträgers einmal mit und einmal ohne Gehörschutz bestimmt wird. Die Differenz der beiden Schwellen ist die Schalldämmung. Insbesondere die wiederkehrenden Funktionskontrollen könnte der Betriebsarzt unter Anwendung dieses Verfahrens übernehmen. Außerdem kann durch eine individuelle Messung die tatsächlich erreichte Schalldämmung ermittelt werden, wodurch sich insbesondere das Risiko einer Verschlechterung des Hörvermögens für Personen mit beginnender oder bestehender Hörminderung minimieren lässt. Dazu ist es aber nötig zu wissen, ob sich der mit dem Audiometer ermittelte Dämmwert von dem in der Baumusterprüfung bestimmten (nach EN 24869-1) unterscheidet. Da sich sowohl Schallfeld als auch Prüfgeräusche unterscheiden, waren Abweichungen zwischen den beiden Messergebnissen zu erwarten. Ziel des Projekts war es, die Eignung von audiometrischen Messverfahren für die individuelle Schalldämmung zu beurteilen und, falls nötig, Korrekturwerte für den Vergleich mit Dämmwerten aus der Baumusterprüfung abzuleiten.
In Vergleichsmessungen wurden die beiden Methoden zur Bestimmung der Schalldämmung gegenübergestellt: Baumusterprüfung nach EN 24869-1 im Freifeld bzw. audiometrische Hörschwellenbestimmung mit Kopfhörern. Dabei wurden beide Messungen mit erfahrenen Versuchspersonen direkt nacheinander im Semi-Schallschluckraum durchgeführt, ohne den Sitz des Gehörschutzstöpsels dabei zu verändern. Es wurden verschiedene Arten von Gehörschutzstöpseln untersucht: Gehörschutz-Otoplastiken, fertig geformte Lamellenstöpsel und vor Gebrauch zu formende Schaumstoffstöpsel. Eingesetzt wurde ein PC-basiertes Screening-Audiometer, das über verschiedene Pegel-Schrittweiten (5, 2 und 1 dB) verfügt. Um Geräteeinflüsse auszuschließen, wurden einzelne Messungen mit einem PC-unabhängigen Audiometer durchgeführt. Zusätzlich wurde bei einigen Versuchspersonen der Schallpegel im Ohrkanal mithilfe von Sondenmikrofonen gemessen. Damit konnte ermittelt werden, welchen Effekt ein Verschluss des Ohrkanals durch einen Gehörschutzstöpsel oder einen Audiometrie-Kopfhörer auf die im Ohrkanal detektierbaren physiologischen Geräusche hat. Es wurden mit 28 Versuchspersonen insgesamt rund 120 Schalldämmkurven bestimmt. Dabei wurden 16 Produkte vermessen, von denen für sieben Stichproben mit mehr als fünf Datensätzen vorlagen. Für diese Produkte konnte die Auswertung nicht nur für die einzelnen individuellen Datensätze durchgeführt werden, sondern auch für die gesamte Stichprobe.
Der direkte Vergleich zwischen den beiden Messmethoden für eine Einzelperson zeigt in der Regel eine niedrigere Schalldämmung für die Frequenzen 125 und 250 Hz für das audiometrische Verfahren. Dies ist auch im Mittelwert über die gesamt Stichprobe sichtbar. Der Effekt ist unabhängig von der Pegelschrittweite bei der Hörschwellenbestimmung (5 bzw. 1 dB). Dieser Effekt könnte sich durch den Einfluss von physiologischen Geräuschen im Ohrkanal auf die Hörschwellen erklären lassen. Die objektiven Messungen mit einem Sondenmikrofon ergaben eine deutliche Pegelerhöhung der physiologischen Geräusche im Ohrkanal, wenn der Audiometrie-Kopfhörer getragen wird. Dadurch kann sich die Hörschwelle ohne Gehörschutz zu höheren Pegeln hin verschieben. Wird zusätzlich noch ein Gehörschutzstöpsel eingesetzt, ändert sich der Schallpegel im Ohrkanal praktisch nicht. Bei der Messung nach EN 24869-1 ist die offene Hörschwelle mit komplett offenem Ohrkanal unbeeinflusst. Aus den momentan vorliegenden Daten lässt sich bisher keine Empfehlung des audiometrischen Messverfahrens als Standardverfahren zur Bestimmung der individuellen Schalldämmung ableiten. Insbesondere ist noch nicht klar, ob für die tiefen Frequenzen 125 und 250 Hz Korrekturwerte nötig sind. Dies soll durch die Untersuchung weiterer audiometrischer Messgeräte – insbesondere mit unterschiedlichen Arten von Kopfhörern – ermittelt werden, wodurch auch der Einfluss des freien Kapselvolumens auf die Schalldämmwerte bestimmt werden soll.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Lärm/Vibrationen
Schlagworte:Persönliche Schutzausrüstung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Gehörschutz, Schalldämmung, individuelle Messung