abgeschlossen 09/2015
Der Verschleiß der großen Gelenke Hüfte (Coxarthrose) und Knie (Gonarthrose) zählt zu den schwerwiegendsten Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems, die mit immensen gesundheitlichen Einschränkungen und ökonomischen Folgen verbunden sind. In der aktuellen Literatur verdichten sich die Hinweise, dass bei der Entstehung von Coxarthrose berufsbedingte Risikofaktoren wie etwa das schwere Heben und Tragen von Lasten oder das häufige Steigen auf Treppen und Leitern eine Rolle spielen. Die bisher noch fehlende biologische Plausibilität dieser Faktoren sollte im Rahmen einer biomechanisch-orthopädischen Studie zur mechanischen Belastung des Hüftgelenksknorpels bei exponierten arbeitsbezogenen Tätigkeiten geprüft werden (DGUV-Studie FF-FB 192: Analyse der Belastungen des Hüftgelenksknorpels bei exponierten arbeitsbezogenen Tätigkeiten). Das IFA-Projekt fokussierte hierbei auf die Arbeitsplatzanalysen und die Erhebung der kinematischen und dynamischen Randbedingungen der Hüftgelenkbelastung.
Im Rahmen einer Forschungskooperation mit der BG-Unfallklinik Murnau wurden im IFA biomechanische Bewegungs- und Belastungsanalysen von typischen Arbeitstätigkeiten mit Fachkräften aus betroffenen Branchen durchgeführt. Die aufbereiteten Messdaten dienten anschließend als Eingangsgrößen für die Mehrkörpersimulation und die Finite-Element-Analyse (FEA) zur Bestimmung der Hüftgelenkskräfte bzw. der Druckverteilung auf der Gelenkknorpelfläche beim Kooperationspartner BGU Murnau.
In einem ersten Schritt recherchierte das IFA in Kooperation mit den Unfallversicherungsträgern zu exponierten Branchen und Arbeitsplätzen anhand verfügbarer Messdaten und Katastern und führte eine Befragung von Präventionsfachleuten der Unfallversicherungsträger durch. Daraus wurden exemplarisch unterschiedliche Tätigkeitsszenarien etwa zum schweren Heben, Tragen und Umsetzen von Lastgewichten (25 bis 50 kg), zum Treppen und Leitern steigen abgeleitet und mit entsprechenden Aufbauten im Biomechaniklabor des IFA nachgestellt.
Mit insgesamt zwölf Fachkräften aus exponierten Arbeitsfeldern unterschiedlicher Branchen konnten in den oben genannten Szenarien dreidimensionale Bewegungs- und Kraftmessungen aufgezeichnet werden. Daraus wurden mittels eines mathematisch-physikalischen Modells der unteren Extremität die Kräfte und Drehmomente am Hüftgelenk in den unterschiedlichen Situationen berechnet. Als Vergleichsgrundlage zur Einschätzung der Belastungshöhe dienten die auf gleiche Weise ermittelten Belastungen beim Gehen.
Die höchsten Hüftgelenkskräfte wurden beim Umsetzen eines 50-kg-Lastgewichts mit dem 6,4-Fachen des Körpergewichts ermittelt. Beim Gehen (Gehgeschwindigkeit 1,1 m/s) erreichten die Probanden im Mittel maximal das 3,7-Fache des Körpergewichts. Beim Heben bzw. Tragen der 50-kg-Last lagen die maximalen Hüftgelenkskräfte beim 4,9- bzw. 5,6-Fachen des Körpergewichts. Das Heben und Tragen eines 25-kg-Lastgewichts (3,5- bzw. 4,1-Fache) führte zu keiner signifikant erhöhten Hüftgelenksbelastung im Vergleich zum Gehen. Ebenso waren die maximalen Hüftgelenkskräfte beim Treppen steigen ohne Zusatzlast und beim Leitern steigen im Vergleich zum Gehen nicht signifikant unterschiedlich.
Der höchste Spitzendruck an der Gelenkoberfläche des Hüftgelenks aller untersuchten Tätigkeiten wurde beim Umsetzen eines 50-kg-Lastgewichts mit 22,8 MPa erreicht. Dies entspricht etwa dem 1,5-Fachen des Maximaldrucks beim Gehen (15 MPa). Die Größe der Kontaktfläche und die Druckverteilung hingen dabei wesentlich von der Hüftgelenksstellung/-beugung ab.
Die ermittelten Daten können zukünftig zu valideren Expositionsermittlungen beitragen und die Erforschung der mechanisch induzierten Pathomechanismen von Hüftgelenkserkrankungen unterstützen.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Erkrankungen
Schlagworte:Physische Beanspruchung/Belastung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Hüftgelenk, Coxarthrose, Heben und Tragen