abgeschlossen 12/2021
Hand-Arm-Vibrationen sind mechanische Schwingungen, die durch von Hand geführte technische Werkzeuge, Geräte oder Maschinen hervorgerufen werden. Langjährige Einwirkungen von Hand-Arm-Vibrationen können pathologische Veränderungen an dem Hand-Arm-Schulter-System verursachen. Im Rahmen einer multizentrischen (BG Bau, BGRCI, BGHM und IFA) epidemiologischen Fall-Kontroll-Studie wurde der mögliche Einfluss von Hand-Arm-Vibrationsbelastungen auf Risiken von muskuloskelettalen Erkrankungen des Hand-Arm-Schultersystems untersucht.
Dabei sollten folgende Fragen geklärt werden:
Im Projektzeitraum wurden männliche Fälle und Kontrollen (1:3, gematcht nach Geburtsjahren) für die Studien rekrutiert. Die Fälle beziehen sich auf die ärztlich gemeldeten neuen Verdachtsanzeigen von BK 2103 (mit sechs Erkrankungsbildern: Hand Osteoarthrose (OA), Ellenbogen OA, Schulter OA, Mondbeinnekrose, Kahnbeinpseudoarthrose und Ellenbogen Osteochondrose). Die Kontrollen beziehen sich auf eine Zufallsstichprobe von neuen meldepflichtigen Arbeitsunfällen. Um die Diagnosesicherheit der Verdachtsanzeige zu prüfen, wurde eine Validierungsstudie (mit röntgenologischen Untersuchungen) bei ca. 50 % der Fälle durchgeführt. Bei Fällen und Kontrollen wurden standardisierte Fragebogenerhebungen durch die Aufsichtspersonen der jeweiligen Berufsgenossenschaften (BGen) vorgenommen. Neben Freizeitaktivitäten und Komorbiditäten wurden die Arbeitshistorien (bzgl. der Verwendung von handgeführten technischen Werkzeugen, die Hand-Arm-Vibrationen hervorrufen kann) jedes Studienteilnehmers detailliert erhoben. Um die Vibrationsbelastungen für jeden Studienteilnehmer zu quantifizieren, wurde eine Datenbank (Vibrationskataster) zu Vibrationsmessungen von über 700 Geräten eingerichtet. Diese Datenbank wurde für die Berechnung von Tagesdosis (Ahv(8)-typisch, Ahw(8)-typisch) und Langzeitdosis (Dhv und Dhw) von Vibrationsbelastungen herangezogen. Die Dosis-Wirkungsbeziehungen bzw. frequenzabhängigen Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen Vibrationsbelastungen und muskuloskelettalen Erkrankungen entsprechend BK 2103 wurden mittels konditionaler logistischer Regression ermittelt.
Insgesamt wurden 209 Fälle und 614 Kontrollen für die Studie rekrutiert. Die Validierungsstudie weist auf eine ca. 7,5 % Fehldiagnose bei der Verdachtsanzeige bei Fällen hin. Das durchschnittliche Alter der Studienpopulation liegt bei ca. 52 Jahren (22–84 J.). Im Vergleich zu Kontrollen leiden die Fälle häufiger an Gicht, Armfraktur, Hüft OA, Knie OA, Wirbelsäule OA sowie Trauma und entzündlichen Erkrankungen an den Fingern, Ellenbogen und Schultergelenken. Die Dauer der Exposition beträgt bei Fällen durchschnittlich ca. 26 (1 – 44) Jahre mit einer Tagesdosis von Ahv(8)_typisch=5,76 m/s2 und Ahw(8)_typisch=3,36 m/s2. Bei den Kontrollen beträgt die Dauer der Exposition durchschnittlich ca. 25 (0,5 – 49) Jahre mit einer Tagesdosis von Ahv(8)_typisch=4,47 m/s2, Ahw(8)_typisch=2,46 m/s2. Nach Adjustierung von relevanten Konfoundern (Forschungszentren, generalisierte Osteoarthrose, Trauma und entzündlichen Erkrankungen an den Fingern, Ellenbogen und Schultergelenken) zeigt die Studienanalyse eine statistisch signifikante Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen kumulativer Vibrationsdosis und muskuloskelettalen Erkrankungen entsprechend BK 2103. Die Dosis-Wirkungsbeziehungen sind konstant bei den verschiedenen Erkrankungsbildern und unabhängig von der Berechnungsmethode zur kumulativen Vibrationsdosis. Die frequenzabhängige Dosis-Wirkungsanalyse bestätigt die Vermutung, dass die Einwirkung von Hand-Arm-Vibrationen am muskuloskelettalen System überwiegend im Frequenzbereich von < 50 Hz erfolgt.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Erkrankungen, Lärm/Vibrationen
Schlagworte:Epidemiologie, Vibration, Prävention
Weitere Schlagworte zum Projekt:Fall-Kontroll-Studie, Hand-Arm-Vibration