Pilotstudie zur quantitativen, MRT-basierten Analyse des Deformationsverhaltens des Kniegelenkknorpels am Gesunden nach kniender und hockender Tätigkeit

Projekt-Nr. FF-FB 0138

Status:

abgeschlossen 03/2009

Zielsetzung:

Ziel der vorliegenden Studie war die Überprüfung, ob Deformation im Kniegelenkknorpel nach kniender und hockender Tätigkeit auftritt, wenn ja, wie stark sie ausgeprägt ist und wo an den verschiedenen Gelenkteilflächen im Knie genau sie auftritt. Weiter wurde geprüft, ob/inwiefern diese Veränderungen nach einer Stunde Erholungszeit rückläufig sind.

Aktivitäten/Methoden:

Als Methode wurde die Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt, da sie eine nicht invasive und kontrastreiche Darstellung des Knorpels leistet. Zum Einsatz kamen ein 3-Tesla-MR-Tomograph mit 8-Kanal-Kniespule (Institut für Klinische Radiologie) und speziell für die Knorpelvolumetrie optimierte und validierte MRT-Sequenzen, die eine Auflösung von 1,5 x 0,3 x 0,3 mm³ für das gesamte Knie lieferten. Aus diesen MRT-Daten wurden der Knorpel der einzelnen Gelenkteilflächen (Patella, mediales und laterales Tibiaplateau, Femur) sowie der Innen- und Außenmeniskus extrahiert (interaktive Segmentation) und 3D rekonstruiert. Diese 3D-Körper dienten als Basis für die weitere Auswertung. Sie beinhalteten in einem ersten Schritt die Berechnung des Volumens, der mittleren Dicke und der Größe der Knorpel-Knochen-Grenzfläche (KKG). Dieser Schritt ermöglicht eine Aussage darüber, ob sich im Mittel innerhalb der einzelnen Gelenkflächen Veränderungen im Volumen (Auspressen von Wasser durch Belastung) und Dicke ergeben, liefert aber noch keine Information, wo dies geschieht. In einem zweiten Schritt wurde in sogenannten Dickenplots für jeden Punkt auf der KKG die lokale Dicke des (patellaren, femoralen, medialen und lateralen tibialen) Knorpels berechnet. Diese Dickenplots wurden rechnerisch aufeinander projiziert (koregistriert) und es wurden die Differenzen der lokalen Dickenwerte zwischen den Plots vor, unmittelbar nach Belastung und nach einer Stunde Erholungszeit berechnet. Damit konnte eine Aussage getroffen werden, ob, wo und wie stark eine Deformation des Knorpels nach Belastung in arbeitsähnlicher Position auftritt bzw. sich nach Ruhezeit zurückbildet.

Ergebnisse:

Die Überbelastung von Gelenkknorpel wird der gängigen Lehrmeinung nach als eine Ursache für eine Knorpeldegradation und Initiator einer Osteoarthrose diskutiert. Diese Studie untersuchte das bislang nicht bekannte Deformationsausmaß und deren Lokalisation am Kniegelenkknorpel (Femur, Patella, Tibiae) nach Ausharren in verschiedenen hockenden und knienden Körperhaltungen. Hierfür wurden zehn gesunde Probanden (fünf weiblich, fünf männlich) vor und nach einer jeweils zehnminütigen Belastungsphase sowie nach 90 Minuten Ruhe in einem 3-Tesla-MRT-Scanner mithilfe einer hochaufgelösten knorpeldedizierten Sequenz (FLASH-3D-WE-Sequenz) untersucht. In der Belastungsphase wurde von einem Probanden in drei zeitlich getrennten Messreihen je eine definierte statische Haltung eingenommen und über zehn Minuten beibehalten; dabei handelte es sich um die in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 2112 - Gonarthrose als Risikofaktoren benannten Haltungen Knien, Fersensitz und Hocken. Zusätzlich wurde von jedem Probanden in einer vierten Messreihe eine dynamische Belastung in Form von 50 Kniebeugen durchgeführt, um einen Vergleichswert zu bisher existierenden Literaturdaten zu erhalten. Die ermittelten Knorpeldeformationen weisen auf Kontaktzonen der patello-femoralen und der femoro-tibialen Gelenkkompartimente hin, die funktionell anatomisch plausibel erscheinen - allerdings sowohl intra- als interindividuell mit erheblichen Streuungen verbunden sind. Für die Haltung mit endgradiger Flexion im Kniegelenk, dem Fersensitz, fanden sich die Deformationen betont im Knorpel der kaudalen Patella, zentromedialen lateralen Tibia, der Trochlea und der dorsalen Femurkondylen, für das Hocken im Knorpel der lateralen Patella, anterioren lateralen Tibia und des medialen Femurkondylus am lateralen Aspekt. Die Deformationen nach Knien mit um 90° gebeugtem Knie befanden sich in der patellaren Zentralregion, diffus im Femurknorpel, lateraler Aspekt der medialen Tibia und in der Zentralregion der lateralen Tibia. Nach Kniebeugen befanden sich die Zonen in der kaudolateralen Patella, diffus im Femur, in der Interkondylarregion der beiden Tibiae. Die Studie konnte also erstmals partiell personenübergreifende Deformationszonen für definierte Belastungsformen aufzeigen. Die erfassten globalen Knorpeldeformationen zwischen 1 % und 5 % bezüglich Volumens und der mittleren Dicke lagen in dem Bereich von denen nach Alltagsbelastungen bis moderaten sportlichen Aktivitäten, z. B. 50-100 Kniebeugen oder Radfahren über zehn Minuten. Die Veränderungen sind klein, korrespondieren aber mit biomechanischen Untersuchungen, die postulieren, dass die Druckkräfte auf den Gelenkknorpel zwar im Verlauf des Hinkniens erhöht sind, in der statischen knienden oder hockenden Endposition selbst jedoch durch den zusätzlichen Bodenkontakt und die dorsale Weichteilbelastung abgemildert werden. Die Daten liefern einen ersten Ansatz für die Identifizierung der Knorpelkontaktzonen. Sie bieten eine Basis für den Vergleich der Kontaktzonen mit den Arealen degenerativer Knorpelveränderungen bei Gonarthrose-Patienten und können weiterhin als Datenbasis für die Entwicklung biomechanischer Modelle dienen.

Stand:

02.05.2016

Projekt

Projektdurchführung:
  • Universität München
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Gefährdungsübergreifende Fragestellungen

Schlagworte:

Berufskrankheit, Physische Beanspruchung/Belastung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Gonarthrose, Magnetresonanztomographie (MRT), Kniegelenk

Weitere Informationen

Horng, A.; Raya, J.; Zscharn, M.; König, L.; Notohamiprodjo, M.; Pietschmann, M.; Hoehne-Hückstädt, U.; Hermanns, L.; Glitsch, U.; Ellegast, R.; Hering, K.; Reiser, M.; Glaser, C.: Lokoregionale Deformationsmuster im Patellarknorpel nach unterschiedlichen Belastungsparadigmen - Hochauflösende 3D-MR-Volumetrie bei 3T in-vivo. Röfo - Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren 2010; 182: 1-9