Fokale Dystonien bei Berufsmusikern - eine Literaturstudie

Projekt-Nr. FF-FB 0202

Status:

abgeschlossen 05/2013

Zielsetzung:

Die fokale, aufgabenspezifische Dystonie des Musikers stellt eine Sonderform der fokalen Dystonie des Erwachsenenalters dar, die sich hoch selektiv ausschließlich beim Musizieren manifestiert. Meist beginnt die Erkrankung akut mit einem schmerzlosen Verlust der Koordination beim Spielen bestimmter Passagen; in der nicht professionell musizierenden Normalbevölkerung ist die Erkrankung nicht beschrieben. Die Dystonie der Musiker weist sehr schlechte Heilungschancen auf und führt zumeist zur Berufsunfähigkeit der betroffenen Musiker (Altenmüller, 2012). Ziel dieses systematischen Reviews ist die Frage, ob das intensive Musizieren, wie es von professionellen Musikern ausgeübt wird, wesentlich zur Pathogenese der fokalen, aufgabenspezifischen Dystonie beiträgt. Sollte dies der Fall sein, so wären die formalen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit, die bei einer exponierten Personengruppe in höherem Maße als in der Normalbevölkerung auftreten, gegeben.

Aktivitäten/Methoden:

Vor der Durchführung einer systematischen Literaturrecherche wurden die für einen systematischen Review erforderlichen PICOS-Kriterien (Stroup et al., 2000; Liberati et al., 2009) definiert, wobei als zu untersuchende Zielgruppe (P = participants) professionelle Musiker, als Einflussfaktor (I = Intervention) das intensive Musizieren, als Kontrollgruppe (C = controls) die nicht professionell musizierende Normalbevölkerung, als Endpunkt (O = outcome) die Manifestation der aufgabenspezifischen Dystonie und das Studiendesign (S = study design) festgelegt. Es wurde eine Literaturrecherche für den Terminus "Musikerdystonie" in 23 Datenbanken für den Zeitraum von 1950-2013 durchgeführt. Von den initial 866 Treffern wurden 16 Originalarbeiten in den systematischen Review aufgenommen, die klinische Primärdaten zu insgesamt 1144 erkrankten Musikern enthielten. Die Qualitätsprüfung der Studien erfolgte durch zwei unabhängig voneinander arbeitende Autoren nach der Liverpool Adaptation der Newcastle Ottawa Scale (Voss, Rehfuess, 2013).

Ergebnisse:

In Abhängigkeit der Instrumentengruppe wurden der klinische Phänotyp der Dystonie, das Manifestationsalter, Geschlecht und Begleitfaktoren für jeden beschriebenen Patienten extrahiert. Es zeigte sich eine instrumentenspezifische Manifestation der fokalen Dystonie an dem jeweils am stärksten durch das intensive Musizieren feinmotorisch beanspruchten Körperteil. So wurde die Dystonie des Mundes ausschließlich bei Blasinstrumentalisten dokumentiert, die Dystonie des Fußes ausschließlich bei Perkussionisten; bei Spielern von Zupf- und Tasteninstrumenten war die rechte Hand bevorzugt betroffen. Die Beurteilung des Vorhandenseins eines möglichen Kausalzusammenhangs zwischen dem intensiven Musizieren und der Manifestation der fokalen Dystonie erfolgte anhand der Bradford Hill viewpoints (Lucas, McMichael, 2005). Bei diesen werden die Stärke der Assoziation, Konsistenz der Ergebnisse, Spezifität, zeitliche Abfolge, biologischer Gradient, Plausibilität, Kohärenz, Experiment und Analogie berücksichtigt. Wir konnten alle neun Gesichtspunkte auf die von uns erhobenen Daten anwenden, sodass wir das Vorhandensein eines Kausalzusammenhangs zwischen dem intensiven Musizieren und der Manifestation der fokalen, aufgabenspezifischen Dystonie bei professionellen Musikern bejahen.

Stand:

12.09.2018

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Universität München
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Mechanische Gefährdungen

Schlagworte:

Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Störungen, Physische Beanspruchung/Belastung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Fokale Dystonien, Berufsmusiker

Weitere Informationen

Abschlussbericht in Ordner FirstSpirit zum Download Literaturzitat: Rozanski, V.E.; Rehfuess, E.; Bötzel, K.; Nowak, D Aufgabenspezifische Dystonie bei professionellen Musikern Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 871–7. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0871