abgeschlossen 12/2000
Im Gesundheitsdienst müssen unter Wahrung empfohlener Schutzmaßnahmen Zytostatika zubereitet, verabreicht und entsorgt werden. Dabei ist das betroffene Personal - wenn auch in geringem Umfang - inhalativ und evtl. dermal gegen diese Substanzen exponiert. Da es sich bei den meisten Zytostatika um Kanzerogene mit mutagenem Wirkungsmechanismus handelt, kann ein Schwellenwert für die krebserzeugende Wirkung nicht aufgestellt werden. Zur Prüfung der Notwendigkeit weitergehender Schutzmaßnahmen sollte daher eine quantitative Risikoabschätzung vorgenommen werden.
Basierend auf einer Literaturrecherche wurde eine Abschätzung des spezifischen Krebsrisikos für die folgenden ausgewählten Zytostatika versucht: Cyclophosphamid, Melphalan, Methotrexat, 5-Fluoruracil, Cisplatin und Etoposid. Die quantitative Risikoabschätzung anhand der verfügbaren tierexperimentellen Daten wurde mit etablierten Rechenmethoden vorgenommen, die auch bei der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA verwendet werden. Parallel dazu wurden auch zahlreiche epidemiologische Studien zur Entstehung von Zweittumoren bei Krebspatienten nach Zytostatika-Behandlung ausgewertet. Die Übertragung der an Versuchstieren erhobenen Befunde auf den Menschen erfolgte unter der Annahme einer gleichen Empfindlichkeit von Versuchstier und Mensch gegenüber gleichen Kanzerogenkonzentrationen im Umweltmedium bei langfristiger Exposition.
Für Cyclophosphamid, für das mit Abstand die meisten sachdienlichen Informationen vorliegen, wurden übereinstimmend spezifische Risikowerte in der Größenordnung von 2x10^-6 mg^-1 abgeleitet. D.h., ein zusätzliches Lebenszeit-Tumorrisiko von 2:1.000.000 ist pro Milligramm insgesamt aufgenommenen Cyclophosphamids zu erwarten. Die krebserzeugende Wirkstärke von Melphalan ist mindestens zehnfach höher zu bewerten. Nur spärlich vorhandene Literaturdaten deuten darauf hin, dass die krebserzeugende Wirkstärke von Methotrexat und 5-Fluoruracil geringer ist als diejenige von Cyclophosphamid. Es ist jedoch noch unklar, ob von 5-Fluoruracil und Methotrexat überhaupt eine Krebsgefahr ausgeht. Bezüglich Cisplatin lässt die unzureichende epidemiologische Datenbasis eine Risikoabschätzung nicht zu. Aus den wenigen Tierversuchen mit Cisplatin kann man mit großer Unsicherheit auf eine höhere krebserzeugende Wirkstärke als bei Cyclophosphamid schließen. Für Etoposid lässt sich mit Blick auf die epidemiologischen Erfahrungen ein spezifisches Risiko von 2-5x10^-6 mg^-1 als Anhaltswert errechnen. Als Berechnungsgrundlage bezüglich der Exposition am Arbeitsplatz erscheinen Messungen der Cyclophosphamid-Ausscheidung im Urin von Krankenhauspersonal geeignet. Daraus ergibt sich bei einem 35-jährigen arbeitstäglichen Umgang ein zusätzliches Tumorrisiko zwischen 2x10^-5 (2:100.000) und 7x10^-4 (7:10.000). Die Ausschöpfung der in Deutschland gültigen Luftgrenzwerte (TRK-Werte) für einige krebserzeugende Arbeitsstoffe ist durchaus mit höheren Risiken verbunden. Dennoch sollte der Minimierung der Zytostatika-Exposition in Krankenhäusern, Apotheken und an vergleichbaren Arbeitsplätzen weiterhin große Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Weitere Informationen:
Gesundheitswesen
Gefährdungsart(en):Gefahrstoffe, Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren
Schlagworte:Arbeitsumwelt (Belastungen, Gefährdungen, Expositionen, Risiken), Krebserregende Stoffe, Toxikologie
Weitere Schlagworte zum Projekt:Umgang mit Zytostatika im Gesundheitswesen, Cyclophosphamid, Melphalan, Methotrexat, 5-Fluoruracil, Cisplatin, Etoposide, krebserzeugendes Potenzial mit mutagenem Wirkmechanismus, Krebsrisiko für Beschäftigte