
Sacha Hessenbruch ist als Abteilungsleiter Ordnungswidrigkeiten und Kommunaler Ordnungsdienst der Stadt Bonn für rund 200 Mitarbeitende zuständig.
Herr Hessenbruch, im Ordnungsdienst haben Sie und Ihre Mitarbeitenden mit den unterschiedlichsten Menschen und verschiedenen Vergehen zu tun, vom Falschparken bis zu Verstößen gegen den Jugendschutz. In welchen Bereichen erleben Sie die meisten Konflikte?
In den letzten Jahren sind Maßnahmen der Verkehrsaußendienstmitarbeitenden leider immer häufiger Gegenstand aggressiver Reaktionen – teils fehlt vollständig die Akzeptanz für ordnungsrechtliche gebotene Ahndungen und Maßnahmen. Durch eine Anhebung zahlreicher Regelgeldbußen im bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog und eine in vielen Städten, auch in Bonn, spürbare Veränderung der Verkehrssituationen sowie einer teilweisen Neuaufteilung des öffentlichen Verkehrsraums zugunsten anderer Nutzenden sind die Reaktionen leider immer häufiger aggressiv und unangemessen.
Darüber hinaus treten Konflikte häufiger auf mit Betäubungsmittelkonsumenten, Betrunkenen oder psychisch auffälligen Menschen. Die Durchsetzung notwendiger Maßnahmen endet dabei auch immer wieder in der Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung, sprich einer gewaltsamen Auseinandersetzung der Mitarbeitenden des Kommunalen Ordnungsdienstes und den Betroffenen.
Sie haben es gerade angesprochen: Konflikte treten besonders mit Drogenkonsumenten, psychisch auffälligen Menschen auf. Wie gehen Sie damit um?
Wir bereiten unsere Einsatzkräfte durch regelmäßiges und häufiges Einsatztraining nicht nur auf die Anwendung von Zwang und den Einsatz der Einsatzmittel vor, sondern schulen und trainieren insbesondere auch Kommunikation sowie Deeskalation. Darüber hinaus bieten wir als Arbeitgeber vielfältige Angebote auch zur Nachbereitung schwieriger Einsatzsituationen.
Früher haben Jugendliche auch gefeiert, Menschen haben Regeln missachtet oder Fußball-Fans haben Krawall gemacht. Was ist heute anders?
Nach meiner Wahrnehmung hat in vielen Bereichen ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden und die Durchsetzung von Normen als Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols wird teils weniger akzeptiert. Am, eigentlichen harmlosen, Beispiel des ruhenden Verkehrs kann man dies ganz gut festmachen: Während die einen, wie oben beschrieben, keinerlei Einsicht in eigenes Fehlverhalten und dessen berechtigte Ahndung zeigen, erhalten wir zunehmenden Hinweise auf vermeintlich regelwidriges Verhalten anderer auf die wir wiederum als Ordnungsbehörde reagieren müssen.
Teilweise stellen wir ein erhöhtes Aggressionspotential fest, wobei sich die Frage stellt, ob alles mit wirklichen Änderungen zu erklären ist oder nicht wir alle auch veränderten Wahrnehmungen unterliegen, besonders in Bezug auf die mediale Berichterstattung über bestimmte Ereignisse oder die Social-Media-Nutzung. Diese Phänomene hatten wir nach meiner Wahrnehmung früher einfach nicht, da unser Informationsradius etwas begrenzter war.
Wie setzen Sie sich als Führungskraft für den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein? Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Besonders wichtig ist mir – neben einem stetigen persönlichen Austausch – vor allem, dass wir alles für den bestmöglichen Schutz unserer Mitarbeitenden tun. Dies hat verschiedene Ebenen, wie die politische Ebene mittels einer "Null-Toleranz für Gewalt"-Erklärung als auch eine organisatorische Ebene (bspw. Vorfallsmeldungen, Datenbanken, Unterstützungsangebote, etc.). Schließlich achten wir auch darauf, dass wir immer den neuesten und besten Stand unserer Einsatzmittel haben und hier von allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch machen. Zuletzt haben wir so als erste Ordnungsbehörde in NRW die sog. Bodycam zum Einsatz gebracht und nutzen diese bereits seit fast drei Jahren erfolgreich im Echtbetrieb.
Erleben Sie, dass sich Mitarbeitende durch Angriffe, Drohungen oder Beleidigungen verändern, z.B. mit ihren Tätigkeiten nicht mehr identifizieren, Ängste entwickeln oder Depressionen?
Glücklicherweise erlebe ich das nicht häufig, aber natürlich kommen immer mal wieder Kolleginnen und Kollegen auf mich zu und äußern einen Veränderungswunsch, d.h. aus dem Außendienst hinaus. Dabei spielt sicherlich, neben vielen anderen Aspekten, auch das Thema potenzieller Bedrohungen eine gewisse Rolle.
Ist das Risiko von Gewalt im Dienst bei Neueinstellungen ein Thema?
Wir thematisieren die Herausforderungen unserer Arbeit natürlich im Rahmen des Auswahlverfahrens.
Haben Sie bereits erlebt, dass tatsächliche Gewalt oder das hohe Risiko von Gewalt ein Kündigungsgrund ist?
Nein, wir konnten in Einzelfällen wechselwillige Mitarbeitende weiterhin bei der Stadtverwaltung halten und in andere Einsatzgebiete wechseln lassen. Dies ist mir auch persönlich enorm wichtig, denn wir müssen uns als Arbeitgeber genau hieran messen lassen und nicht lediglich an den "sonnigen Tagen".
Was, denken Sie, würde am besten gegen die steigende Gewalt in vielen Branchen helfen?
Das ist eine schwierige Frage, aber ich würde mir wünschen, dass wir alle wieder respektvoller miteinander umgehen und die Erwartungshaltung, die wir anderen entgegenbringen auch auf uns selbst anwenden. Ich finde es erschreckend, welche verbale Aggression man alltäglich in den banalsten Situationen erlebt, mitunter schon am Samstagmorgen beim Brötchenkauf. Insgesamt ist es uns etwas abhandengekommen, dass wir anderen Fehler zugestehen – hieran müssen wir arbeiten! Einsehen in eigenes Unrecht inklusive, denn geahndet wird nur, was zuvor falsch gemacht worden ist.